Kapitel II
Das Wunderbuch des Carl Ludwig Ambrosius - Transkription und Kommentar

Wunder Buch für Karl Ludwig Ambrosius in Schoenbrunn Anno MDCCCXXI den 29ten Juni

Balthasar Schnurrn Völlständiges schon aller Orten bekandtes Kunst= Haus= und Wunder Buch. Darinen nicht allein allerhand zur Haushaltung nutz= und dienliche Sachen sondern auch andere rare und approbierte Wunder und Künste Stücke begriffen. Mit Röm Kayserl Mai Freyheit. Franckfurt am Mayn, In In Verlegung Johann Haass. Im Jahr 1690 Poss. Carl Ludwig Ambrosius
Das Essigbüchlein


Essig-Buchlein

[1] Wie man allerhand guten Essig machen und bereiten soll.
Nim eine neugebackene Semel, legs in einen guten Essig, laß dürr werden und mach es zu Pulwer, rühr das Pulwer mit einem guten Essig an, daß es gleich einem Teichlein werde, damit stelle einen Essig an, er wird trefflich gut
Oder, mach einen neuen Hafen gluend und gieß heiß Bier darein, es wird guter Essig.

Nimm eine frische Semmel und lege sie in einen guten Essig ein. Trockne sie anschließend, zerreibe sie zu einem Pulver und rühre das Pulver wiederum mit einem guten Essig an, so dass es wie ein Teig werde. Setzt du damit einen Essig an, so wird er trefflich gut.
Oder bringe einen neuen Tiegel zum Glühen und gieße heißes Bier hinein. Daraus wird guter Essig.
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Schnurr, 86. Ein ähnliches Rezept, in dem anstelle der Semmel geröstetes Brot verwendet wird, findet sich bei Johannes Coler, Oeconomia Ruralis et Domestica, Mainz 1645, 33. (i. F.: Coler)
In diesem Rezept geht es scheinbar darum einen bestehenden Essig stärker bzw. schärfer zu machen. Essigsäurebakterien und Hefen setzen die in der Semmel enthaltene Stärke über die Zwischenstationen Zucker und Alkohol zu Essigsäure um. Das Trocknen, Zerreiben und erneute Anrühren der Semmel mag dem Aufkonzentrieren des Essigs dienen.
Hafen: Topf, Tiegel. Das im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Wort „Hafen“ bezeichnete in erster Linie Gefäße für den Küchengebrauch, im engeren gewerblichen Sinne aber auch den Schmelztiegel einer Glashütte. Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, Bd. 4, II. Abteilung, Leipzig 1877, Sp. 119. (i. F.: Dt. Wörterbuch)
Beim Bierrezept mögen verschiedene Dinge zusammenspielen. Das Bier selbst enthielt einst einen höheren Anteil an Essigsäurebakterien als dies heute der Fall ist. Durch die Erhitzung wird der Alkohol des Bieres rascher in Essigsäure umgewandelt. Der heiße Tiegel sorgt zudem für eine Aufkonzentrierung der Essigsäure, da deren Siedepunkt über dem von Alkohol und Wasser liegt.
[2] Einen guten Essig zu stellen
Nim Weinstein, stosse ihn zu Mehl, nim darnach scharfen Essig und mach ein Teichlein darauß dörrs und stoß wieder zu Mehl, thu solches 3 mahl nacheinander, oder auch öfter nim dasselbe Mehl, und thus in Wein, es wird ein guter und scharfer Essig darauß.
Oder, presse den Saft von unzeitigen Weinbeeren, schöpfe ihn sauber und gieß Essig dran, wann er 3 oder 4 Tage stehet so seyhe ihn ab von seinem Lager, und thus offt, es wird guter Essig darauß Item, nim sauren Rugenhöfel oder Sauerteig, backs in einen Ofen lagr ihn in lauen Wein, vermach das Fäßlein wohl, es ist guter Essig.

Nimm Weinstein und zerstoße ihn zu Mehl; gib anschließend scharfen Essig dazu und mache einen Teig daraus. Trockne den Teig und zerstoße ihn wieder zu Mehl und zwar mindestens dreimal nacheinander. Nimmst du dieses Mehl und gibst es in Wein, so entsteht ein guter und scharfer Essig.
Oder presse den Saft unreifer Weinbeeren, kläre ihn und gieße Essig dazu. Wenn er drei bis vier Tage gestanden hat, seihst du ihn mehrmals ab und erhältst so einen guten Essig.
Oder nimm Sauerteig, backe ihn in einem Ofen und lagere ihn in lauem Wein. Lässt du das ganze in einem gut verschlossenen Fass reifen, so erhältst du guten Essig.
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Schnurr, 86. Das zweite und dritte Rezept dieses Eintrags findet sich auch bei Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch, Frankfurt/Main 1581, Bl. 196v (Ein ander Kunst / wie man guten Essig sol machen) und 198r (Guten Essig zu machen). Vgl. zum zweiten Rezept außerdem Coler, 34 (Essig auff ein andere art zu machen).
Weinstein: Das Kaliumsalz der Weinsäure, das beim Lagern des Weines in Fässern oder Flaschen auskristallisiert und sich an den Wandungen oder dem Boden festsetzt. Bis auf den heutigen Tag wird Weinstein in der Lebensmittelbranche als Säureregulator und Säurungsmittel eingesetzt. Die Zugabe von Weinstein in einen Essig, das anschließende Trocknen, Auflösen usw. stabilisiert den pH-Wert der im Essig enthaltenen Essigsäure. Dadurch bleibt der Essig gleich stark, wird also wesentlich langsamer "dünn" als sonst.
Die ursprüngliche Methode Essig aus Wein zu gewinnen, bestand darin den Wein einfach offen stehen zu lassen. Der Eintrag von Essigsäurebakterien aus der Umgebung (z. B. durch Fruchtfliegen) sorgte dafür, dass der enthaltene Alkohol in Essigsäure umgewandelt wurde. Die Zugabe des Weinsteinteigs im vorliegenden Rezept mag diesen Prozess beschleunigt haben. Gleichzeitig sorgte sie dafür, dass der fertige Essig einen konstanten pH-Wert hielt.
Rugenhöfel: Höfel oder Hefel lautet eine Bezeichnung für Sauerteig im süddt. Sprachraum. Rugenhöfel ist also Roggensauer, der auf Roggenmehl basierende Sauerteig. Vgl. Dt. Wörterbuch, Bd. 4, II. Abteilung (1877) Sp. 1663. Die Beigabe des Sauerteigs soll die Nachsäuerung des Weins verstärken.
[3] Einen krancken Essig zu helfen
Henck in ein Säcklein ein wenig Hefen in den Essig so abfällig ist er wird wieder stark.

Ist ein Essig schal geworden, so hänge ein Säcklein voll Hefe hinein und er wird wieder stark.
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Schnurr, 86. Vgl. auch Rumpolt, Kochbuch, Bl. 198r (Essig starck zu machen).
Hefebakterien produzieren zunächst Alkohol und wandeln diesen bzw. sein Abbauprodukt Acetaldehyd in Essigsäure um, erhöhen so den Anteil der Essigsäure im Essig und machen ihn so in der Tat wieder „stark“. Häufig finden bestimmte Hefen daher Verwendung bei der Essigherstellung.
[4] Einen andern guten Essig zu machen
Nim sauren Holzapfel, presse den Saft darauß, und lass denselben in Wein tropfen, du magst auch die Aepfel darein hengen, so bekommst du guten Essig.
Etliche nehmen nur den bloßen Saft von Holtzäpfeln, ohne Wein, füllen ihn in einen Krug oder Fäßl. und lassen in der Wärme liegen, so giebt es als ein sehr guter Essig.

Nimm sauren Holzapfel, presse den Saft heraus und lass ihn in Wein tropfen, oder aber hänge die ganzen Holzäpfel in den Wein und du bekommst einen guten Essig. Manche nehmen auch nur den Saft der Holzäpfel ohne Wein hinzu zu geben, füllen ihn in einen Krug oder ein Fass und lassen ihn in der Wärme liegen. So erhält man einen sehr guten Essig.
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Schnurr, 86.
Holzapfel: Malus sylvestris. Sowohl Hefen als auch Essigsäurebakterien leben „wild“ auf der Oberfläche von Früchten. Letztere wandeln im ersten Teil des Rezepts den Alkohol des Weins in Essigsäure um; erstere sorgen im zweiten Rezeptteil dafür, dass die Essigherstellung auch ohne Wein funktioniert, da sie in der Lage sind den Zucker des Apfels zunächst in Alkohol umzuwandeln.
[5] Einen guten scharfen Essig in der Eyl zu machen.
Nim Eysen oder Stahl, lösche ihn in Essig 5 oder 6 mahl ab darvon wird ein guter scharfer Essig. Oder lege große Nußbaumwurzel in Wein, so wird ein guter Essig darauß. Oder, wer behend einen Essig haben will, der werffe Saltz in Wein, mit Pfeffer und Sauerteig vermischet, und rühr es wohl untereinander. Oder, lege gluenden Steine, Ziegl, oder glüenden Stahl hinein.

Nimmst du Eisen oder Stahl und löschst ihn fünf- bis sechsmal mit Essig ab, so erhältst du davon einen guten und scharfen Essig. Ebenso, wenn du eine große Nussbaumwurzel in Wein einlegst. Willst du schnell einen Essig herstellen, so wirf Salz in den Wein, gib Pfeffer und Sauerteig hinzu und rühre alles gut untereinander. Oder lege glühende Steine, Ziegel oder glühenden Stahl hinein.
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Schnurr, 87. Das dritte und vierte Rezept dieses Eintrags findet man unter dem gleichen Titel auch bei Coler, 34f, das zweite bei Rumpolt, Kochbuch, Bl. 197v (Ein ander Kunst Essig zu machen). Coler gibt für seine Rezepte Mizaldus als Quelle an (Antonio Mizauld, Centurien XII, Cent. 5, Aphorismus 19 u. Cent. 6, Aph. 93).
Zum Ablöschen des Stahls mit Essig: In dieser relativ einfachen Reaktion bilden die Essigsäure des Essigs und das Eisen sogenanntes Eisenacetat und Wasserstoff, zusätzlich werden so genannte Hydroniumionen gebildet, die der Lösung den sauren Charakter geben. Ob es bei diesem Rezept in erster Linie um den Eisengeschmack geht, muss offen bleiben. Rein chemisch gesehen, erhält man auf diese Weise wiederum einen Essig, der seinen pH-Wert lange Zeit konstant hält, also „stark“ bleibt.
Nussbaumwurzel: Das in der Wurzel enthaltene Juglon kann durch den Wein gelöst werden; vielleicht zum Zwecke der Aromatisierung.
Ein schneller Essig: Die im Sauerteig enthaltenen Milchsäurebakterien bewirken eine schnelle Oxidation des Alkohols zu Essigsäure; Salz und Pfeffer dienen der Aromatisierung.
Glühende Steine, Ziegel oder Stahl: Ist diese Passage so gemeint, dass glühende Gegenstände in Wein gelegt werden sollen, so wohl deshalb, weil der Ethanol des Weines durch die Einwirkung thermischer Energie relativ rasch in Essigsäure umgewandelt wird. Legt man sie hingegen in Essig, ist das Ergebnis eine bloße Verdunstung des Wasseranteils und folgerichtig ein Aufkonzentrieren der Essigsäure. Der Essig würde also „stärker“. Rezepte in denen abgestandener Wein durch die Zugabe heißer Ziegel oder Eisenteile in Essig umgewandelt wird, findet sich bereits beim antiken Agrarautoren Lucius Columella (De re rustica, Buch 12, 5).
[6] Verdorbenen Essig wieder recht zu machen.
Wen ein Essig schwach wird, so lege etliche Stücklein Gerstenbrod hinein er wird in 2 Tagen stark.

Ist ein Essig schal geworden, so lege einige Stückchen Gerstenbrot hinein und er wird innerhalb von zwei Tagen wieder stark.
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Schnurr, 87. Vgl. auch bei Coler, der das Rezept gleich zweimal bringt (33 u. 35). Im zweiten Eintrag verweist Coler erneut auf Mizaldus (Centurien XII, Cent. 7, Aphor. 9).
Vermutlich soll auch hier eine Gärung stattfinden, die Restalkohol oxidiert und auf diese Weise den Anteil der Essigsäure erhöht.
[7] Rothen Essig zu machen
Laß den Essig 1 oder 3 Nacht über KlapperRosen oder Grasblumen stehen, und schütt den Essig ab, so ist er schön roth, du magst von Kornblumen blau, oder Lavendl; Roßmarin und dergleichen wohl geschmackten Essig haben.

Gib Mohnblumen oder Gartennelken in den Essig und lasse ihn ein bis drei Nächte stehen. Schüttest du den Essig ab, so ist er nun schön rot. Ebenso kannst du ihn mit Kornblumen blau färben oder ihm mit Lavendel, Rosmarin oder Ähnlichem Geschmack verleihen.
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Schnurr, 89. Vgl. auch Rumpolt, Kochbuch, Bl. 198r (Roten Essig zu machen).
Klapperrosen: Klatschmohn (Papaver rhoeas). Der Name „Klapperrose“ stammt laut Jakob und Wilhelm Grimm von dem Knall, den die zusammengefalteten Blütenblätter verursachen, wenn man sie auf Stirn oder Handfläche schlägt, scheinbar ein beliebtes Kinderspiel jener Zeit; Dt. Wörterbuch, Bd. 5 (1873) Sp. 976.
Grasblumen: Scheinbar ist hier Dianthus caryophyllus gemeint, die Land- oder Gartennelke; ebd., Bd. 4, I. Abteilung, 5. Teil (1958) Sp. 1946f.
Das Wunderbüchlein


Wunder-Buchlein
[8] Einen Stein oder Glas ganz zu machen.
Nim Mastix zerreibe ihn wohl mit reinem Wasser nim dann die Stücke von Stein oder Glas, schmiers darran und laß trocken werden, heb es dann zum Feuer, dass der Mastix weich werde, setze dann die Stück zusammen, so wird es gantz.
Oder, nim Gips, und mach ihn an mit Eierweiß, und streichs daran, so thut es auch recht.

Nimm Mastix und zerreibe ihn gut mit Wasser. Nimm dann die Glas- oder Steinstücke, schmiere die Bruchstellen mit der Masse und lass sie trocken werden. Lege sie anschließend ans Feuer, damit der Mastix weich wird. Setzt du die Stücke nun zusammen, so halten sie fest.
Oder nimm Gips, den du mit Eiweiß anrührst und streiche dies an die Bruchstellen.
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Schnurr, 890. Vgl. auch Coler, 726. Die zweite Rezeptur findet sich in ähnlicher Weise schon bei Plinius, Naturalis historia, Buch 29, cap. 51: Das Eiweiß klebt, mit ungelöschtem Kalk gemischt, Bruchstücke von Glas zusammen […].
Mastix: Schon die Römer benutzten das wohlriechende Harz des Mastixbaumes (pistacia lentiscus) um Glas und Keramik zu kleben; bekannt war der Mastix daher auch als glumen romanorum. Zu den zahlreichen weiteren Anwendungsmöglichkeiten des Mastixharzes zählen die Verwendung als Würzmittel in Weinen und Süßspeisen, als Arzneimittelbestandteil und, in Leinöl oder Weingeist gelöst, als Firniss. Hauptanbaugebiet war bis ins 19. Jahrhundert hinein die Insel Chios in der Ägäis. Geerntet wurde der Mastix durch Anschneiden der Baumrinde bei trockenem sommerlichem Wetter. Von dort floss er in Gruben hinab, die man rund um den Stamm ausgehoben hatte. Um Verunreinigungen des Harzes zu vermeiden, legte man diese teilweise mit Estrich aus. Erhältlich war der echte Mastix zu Ambrosius Zeiten vor allem in Apotheken und Süßwarenläden. Jedoch wurden auch andere Klebstoffe verallgemeinernd als „Mastix“ bezeichnet. Vgl. Krünitz, Oekonomische Encyklopädie, Bd. 85 (1802), 410-414 u. 423. (i. F.: Krünitz)
[9] Zerbrochene Gläser ganz zu machen.
Nim holtz Bech und halb Hartz, zerlaß untereinander, streichs an die Stück, setzt darnach zusamen und wärm es bey den Feuer, so hält es fest, darnach schabe das Bech herab und streich die Spält mit Oelfarb.

Nimm Pech und Harz zu gleichen Teilen, zerlasse sie untereinander, bestreiche die Bruchstellen damit und setzt die Stücke zusammen. Wärmst du sie nun bei einem Feuer, so halten sie fest zusammen. Schabe das überflüssige Pech anschließend ab und streiche die Risse mit Ölfarbe.
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Schnurr, 891. Vgl. auch Coler, 726.
Dass man Holzpech (holtz Bech) nehmen solle, beruht wohl auf einem Abschreibefehler Ambrosius. Sowohl bei Schnurr als auch bei Coler ist von halb Bech die Rede, also von einer Mengenangabe.
In seiner ursprünglichen Bedeutung ist Pech eingekochtes und geläutertes Nadelbaumharz, etwa von Tanne, Weißtanne, Kiefer oder Fichte. Der Unterschied zwischen Harz und Pech liegt also allein im Reinheitsgrad. Das Harz wurde gewonnen, indem man die Bäume im April anstach, das herausquellende Harz in Trögen sammelte und anschließend im warmen Wasserbad klärte (vgl. Mastixgewinnung). Im größeren Maßstab erfolgte die Gewinnung in großen, gemauerten Öfen, die mit gesammelten Wurzelstöcken (Kienen) befüllt wurden. Durch langsame Befeuerung kamen die Kiene ins Schwitzen; das so gewonnene Pech floss durch Löcher im Ofenboden aus. Zur Pechgewinnung vgl. Krünitz, Bd. 108 (1808), 192ff u. 197; Wiesenhavern, Abh. über das Theer- u. Pechbrennen, Breslau 1793, Kap. 2.
[10] Ein Wasser zu machen das alle Dinge weich werden.
Nim Sal Armoniac, Salniter und Weinstein, nims so viel als das andere laß erwallen bey einem Feuer, was du darein wirfst das wird weich.

Nimm Sal Armoniac, Salniter und Weinstein zu gleichen Teilen, lasse die Mischung über dem Feuer aufkochen und was du hinein wirfst, wird weich.
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Schnurr, 891. Vgl. auch Coler, 726.
Dass alle Dinge in diesem Wasser weich werden, lässt auf eine Säure schließen, allerdings ist nicht ganz klar wie genau diese entstehen soll. Mit der vorliegenden Anweisung geht es eigentlich nicht.
Sal armoniacum: Hinter diesem Begriff verbirgt sich der Salmiak (Ammoniumchlorid), einst auch als Sal ammoniacum bekannt. Für die Namensherkunft des Salmiaks gibt es verschiedene Theorien.
Allgemein wird angenommen, dass es sich dabei um das „Salz des Ammon“ handeln – eine Zuordnung, die in den Salmiak-Vorkommen in der ägyptischen Oase Siwa ihren Ursprung hat, wo der Jupiter-Ammon verehrt wurde. Ursprünglich zumeist aus Ägypten eingeführt, wo es u. a. aus Mist gewonnen wurde, war zu Ambrosius Zeiten längst ein einheimisches Verfahren der Salmiak-Synthese gefunden worden. Vgl. Krünitz, Bd. 131 (1822), 123ff.
Salniter: Sal nitrum; der geläuterte Salpeter (Kaliumnitrat). Unter dem Oberbegriff Salpeter (lat. Sal petrae = Steinsalz) werden mehrere Nitratverbindungen zusammengefasst. Die im frühneuzeitlichen Europa am weitesten verbreitete Art war der vielerorts anzutreffende Mauersalpeter (Kalksalpeter), der allerdings erst geläutert werden musste, ehe man ihn verwenden konnte, z. B. zur Schießpulverherstellung. Dazu wurde der Salpeter zunächst in Wasser erwärmt, um erdige Bestandteile abzutrennen, anschließend eingekocht, zu Pulver zerstoßen und abschließend mit Pottasche und Wasser vermengt. Der auf diese Art gereinigte Mauersalpeter wurde als Salniter bezeichnet. Vgl. Tittmann/Nibler/John: Salpeter und Salpetergewinnung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 10ff, Online-Ressource der Ruhr-Universität Bochum; Martin Ruland, Lexicon Alchemiae, Frankfurt/Main 1612 (Neudr. 1964), 418.
[11] Ein Ey zu härten als ein Stein.
Legs 3 Tage in Essig, thute [sic] es hernach raus, und lagers ein Monat in Saltz, so ist die Kunst bewährt.

Lege es drei Tage in Essig und anschließend einen Monat lang in Salz; so hat sich die Kunst bewährt.
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Schnurr, 891. Vgl. auch Coler, 726.
Essig wirkt kalklösend; das Salz wiederum entzieht dem Ei das Wasser.
[12] Ein Näpper oder Axt härten das er Eisen schneidet.
Stoß Knobloch, und entlaß es in den selben Saft, darnach entlaß es in Leinöl, du wirst Wunder sehn.

Zerstoße Knoblauch und lege das betreffende Werkzeug in dessen Saft; lege es anschließend in Leinöl und du wirst Wunder sehen.
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Schnurr, 892. Vgl. auch Coler, 727.
Diese Anwendung des Knoblauchs zielt auf Sympathiemagie, denn Knoblauch ist bekanntlich scharf.
[13] Eine gute Schneidewaffen zu machen
Wan du einige Waffen schleifen wilt, so streich zu den Wetzstein mit ungesalzenem Speck oder Schmeer.

Willst du Waffen schleifen, so bestreiche den Wetzstein mit ungesalzenem Speck oder Fett.
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Schnurr, 892, hier unter dem Titel Eine außbündige gute Schneiden an Waffen zu machen. Vgl. auch Coler, 717.
Schmeer: Fett. Daran, dass Schleif- und Wetzsteine zur Kühlung und besseren Gängigkeit des Schleifprozesses mit Öl oder Wasser befeuchtet werden, hat sich seit vielen Jahrhunderten nichts geändert. Das Einreiben mit Öl hatte zudem den Vorteil, dass die Klinge einen leichten Ölfilm erhielt und ein gewisser Rostschutz erzielt werden konnte. Ungesalzen musste der Speck sein, da Salz zahlreiche Metalle angreift.
[14] Eine schoene gleissende Schrift zu machen wi Gold
Nim Eyerdotter, prapariere demsalben fein subtil, und nim dann eine neue Feder und schreib darmit.

Nimm Eidotter und rühre es fein an. Nimm dann eine neue Feder und schreib damit.
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Schnurr, 894. Vgl. auch Coler, 717.


[15] Eine Silberfarbe Schrift zu machen
Nim Bilsenkraut, siede es wohl, laß den Olaun zergehn, und vermengs miteinander und schreib darmit.

Nimm Bilsenkraut und koche es; dann lass Alaun zergehen, vermenge beides miteinander und schreibe damit.
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Schnurr, 894. Vgl. auch Coler, 717.
Dafür, dass man aus Bilsenkraut einen silbrigen Farbstoff gewinnen könne, fanden sich außerhalb dieses von Schnur und Coler erwähnten Eintrags keine Hinweise.
Alaun: Aluminiumkaliumsulfat-Dodecahydrat; Alumen, Salsuginem terrae (Plinius). Der Alaun ist ein Doppelsalz der schwefelsauren Tonerde und des schwefelsauren Kali. Einst war er eine der wichtigsten Zutaten in der Färberei. Unter Hitzeeinwirkung wurde er pflanzlichen Farben zugegeben, damit diese dauerhaft einen kräftigen Farbton behielten und der Farbstoff sich besser an das Trägermaterial band. Isidor von Sevilla leitet den Begriff Alumen daher von lumen ab, da es Licht für die Farben bringe (Etymologiae, Buch 16, cap. 2/2). Bis in die frühe Neuzeit wurde der Alaun vor allem aus Alaunstein (Alunit) gewonnen, einem Verwitterungsprodukt der Lava in (einst) vulkanischen Gegenden, wie zum Beispiel bei Tolfa in der Toskana. Zudem wurden bestimmte alaunhaltige Tonerden und Schwarzschiefer gebrannt, dann mit Wasser abgelöscht und die Lösung schlussendlich eingedampft, wobei die Alaunkristalle zurückblieben. Der Alaun kann in diversen Farben auftreten, die vom Fundort abhängig sind. Zur Verwendung des Alauns vgl. Krünitz, Bd. 1 (²1782), 469f; Plinius, Naturalis historia, Buch 35, cap. 183 sowie die entsprechenden Erläuterungen in der Plinius-Ausgabe von König u. Winkler, 289.
[16] Graue und weisse Haar roth zu machen.
Nimm Nußlaub, destillier es in einem gläsernen Kolm wasche damit allein das Haupt 63 Tage lang, so wird das Haar roth.

Nimm Nusslaub, destilliere es in einem gläsernen Kolben und wasche das Haupt 63 Tage lang damit, so wird das Haar rot.
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Schnurr, 897. Vgl. auch Hildebrand: Magia Naturalis, Darmstadt 1615, 29 (i. F.: Hildebrand) u. Coler, 718. Sämtliche Quellen, auch Schnurr, sprechen nur von einer fünfzehntägigen Anwendung.
Das in den Schalen und anderen grünen Teilen des Walnussbaumes vorhandene Juglon färbt Haut u. Haare braun, vergleichbar dem Farbstoff Lawson im Hennastrauch. Walnuss wurde auch zum Färben von Wolle verwendet. Vgl. König/Winkler (Hg.) Plinius Naturkunde, Bücher XIV/XV, 306 (Erläuterungen zu cap. 87).
[17] Haar weiß zu machen.
Halt das Haar über den Rauch des lebendigen Schwefel, so werden sie weis.

Hältst du dein Haar über den Rauch des lebendigen Schwefels, so wird es weiß.
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Schnurr, 897. Vgl. auch Hildebrand, 29 und Coler, 718. Hildebrand verweist auf den Delfter Stadtarzt Petrus Forestus (1522-1597) Observationis, libri VIII.
Der pure und noch nicht weiterverarbeitete Schwefel (Sulphur naturale) war früher als „lebendiger Schwefel“ bekannt. Schon die Römer gebrauchten den Rauch des entzündeten Sulphur naturale als Bleichmittel für Wollstoffe, indem sie diese über ein halbrundes Geflecht hängten und den Schwefel darunter abbrannten. Wirkstoff ist dabei das Schwefeldioxid (SO2), das im Prozess seiner Oxydation die Molekülketten der Farbpigmente aufbricht, wodurch die Fasern bzw. das Haar seine Farbe verliert. Vgl. Krünitz, Bd. 150 (1830), 552 u. 564; Blümner in der RE, 2. Reihe, 3. Halbbd. (1921) Sp. 799f.; Plinius, Naturalis historia, Buch 35, cap. 175 u. 198 sowie entsprechenden Erläuterungen in der Plinius-Ausgabe von König u. Winkler, 283;
[18] Haar schwartz zu Färben.
Nim Weinreben oder Eichenholtzasche 2 Pfund geschmoltzen Olaun 3 Pfund Lithargyrum 1 Pfund Fuliginum 3 Untze Gummi Arabicum gemein Wasser 10 Pfund ungelöschten Kalk 3 Untzen stoß alles wohl zu Pulver und laß es sieden biss dass der 3te Theil eingesotten zerlass es, und behalts in einen Geschirr wohl vermacht, vom selben netze denen Bart oder Haar mit einen Schwamm, und lass es trucken werden so werden sie schwartz.
Oder thue Eisenfeyl in starken Weinessig 10 Tage lang, schmier die Haar darmit.
Item, distilliere weiß Honig in einen gläserne Kolben mit starken Feuer, und schmier oder wasche den Bart und Haar mit diesen Wasser.

Nimm zwei Pfund Weinreben- oder Eichenholzasche, drei Pfund geschmolzenes Alaun, ein Pfund Lithargium, je drei Unzen Fuliginum und Gummi Arabicum, zehn Pfund Wasser und drei Unzen ungelöschten Kalk, stoße alles zu Pulver und lass es sieden bis 1/3 eingekocht ist. Zerlasse es und verwahre es gut in einem geschlossenen Gefäß. Mit einem Schwamm kannst du die Flüssigkeit in deinen Bart oder das Haar reiben; lasse es trocknen und das Haar wird schwarz.
Oder leg beim Feilen entstandenes Eisenpulver zehn Tage lang in starken Weinessig und schmiere das Haar damit.
Auch kannst du weißen Honig bei starkem Feuer in einem gläsernen Kolben destillieren und Bart und Haar mit diesem Wasser schmieren oder waschen.
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Schnurr, 897 u. 899. Vgl. auch Hildebrand 29f u. 33; Coler, 718.
Zu den Maßangaben: Da die genaue Herkunft der Rezeptur, die sich mindestens bis zu Colerus zurückverfolgen lässt, unklar ist, muss an dieser Stelle auf eine Aufschlüsselung der Maßangaben des Originalrezepts verzichtet werden. Als relativ sicher kann jedoch gelten, mit welchen Maßen Ambrosius gearbeitet hätte, wenn er das Mittel jemals angemischt haben sollte. Zunächst einmal handelt es sich um Apothekergewichte. Vor der Reform des sächsischen Maß- und Gewichtswesens im Jahre 1837 entsprach ein sächsisches Apothekerpfund umgerechnet 357,84g, eine Unze 29,82g; damit glichen sie den Nürnberger Medizinalgewichten. Ambrosius hätte also knapp über 715g Weinreben- oder Eichenholzasche verwendet, 1,07kg geschmolzenen Alaun, ca. 358g Silberglätte, je 90g Ruß, Gummi Arabicum und ungelöschten Kalk sowie etwas über 3,5l Wasser. Alles gemischt und um den dritten Teil eingesotten, ergibt eine grobe Endmenge von ca. 3,9 kg Flüssigkeit, die auf Vorrat in einem Gefäß verwahrt werden konnte. Zur Berechnung der Maßangaben um 1820 vgl. Friedrich Löhmann, Tafeln zur Verwandlung des Längen- u. Hohl-Masses, so wie des Gewichts u. der Rechnungs-Münzen aller Hauptländer Europens, Leipzig 1832, 62.
Zu den Inhaltsstoffen: Weinreben- und Eichenholzasche sind durch Verkohlung gewonnene pflanzliche Färbemittel. Zur Gewinnung des sogenannten Weinrebenschwarz wurde der Wein im Frühjahr beschnitten, die Abschnitte in metallenen Behältern verkohlt, zerrieben und unter Zugabe von Wasser zu einem Brei verarbeitet. Vgl. Krünitz, Bd. 236 (1856) 522.
Lithargyrum, auch unter der Schreibweise Lithargium bzw. unter dem Namen Silberglätte oder Bleiglätte bekannt, ist das Blei(II)oxid (2PbO), eine glasartige Bleischlacke, die beim Verbrennen des Bleis entsteht u. zur schnelleren Trocknung öliger Bindemittel genutzt wurde. Vgl. Krünitz, Bd. 5 (²1784) 697f; Ruland, Lexicon Alchemiae, 306.
Fuliginum: Fuligo, Ruß.
Gummi Arabicum, der eingedickte Saft diverser Akazienarten, so der Acacia senegal, Acacia nilotica und Acacia seyal, wurde der Haarfarbe zugesetzt, um dem Haar Glanz zu verleihen. Vgl. Krünitz, Bd. 20 (²1789) 347f.
Ungelöschter Kalk: Mit dem im Rezept erwähnten Wasser würde er eigentlich zu basischem Calciumhydroxid reagieren, eine Reaktion, bei der sehr hohe Temperaturen entstehen. Diese Lauge würde die Haarstruktur mit Sicherheit aufrauen, wie man auch beobachten kann, wenn man sich das Haar mit Seife wäscht. Eine rauere Haarstruktur erleichtert allerdings auch das Färben der Haare und deren Formung zu Frisuren.
Die Asche, der Ruß und vielleicht auch der Kalk dienen in dieser Rezeptur also als Färbemittel, die Silberglätte befördert das rasche Trocknen des Gummis, der wiederum dem Haar Glanz verleihen soll. Der Alaun verbindet sich mit den Farbstoffen und macht sie dauerhaft.
Das Honigrezept hat erst Ambrosius diesem Rezeptblock hinzugefügt. Bei Schnurr, Hildebrand und Coler befindet es sich unter dem Titel Grawe haar mit einer Salben schwartz zu machen an anderer Stelle. Mit weißem Honig ist der Honigseim bzw. Jungfernhonig gemeint. Vgl. dazu die Erläuterungen zu Eintrag 31.
[19] Haar krausber [sic] zu machen
Nimm Ottichwurtzel, zerstoße oder zerreibe sie mit Baumöl schmiere damit die Haar und binde die Blätter darauf.
Oder lege Pappeln in die Lauge
Item, einen Rautenwurtzel, brenne sie zu Pulver mache eine Lauge davon und wasche das Haupt damit.

Nimm Attichwurzel, zerstoße oder zerreibe sie mit Olivenöl, schmiere dir die Haare damit und binde die Attichblätter obenauf.
Oder lege Eibisch in dein Waschwasser.
Auch kannst du eine Rautenwurzel verbrennen, die Asche in ein Wasserbad geben und den Kopf damit waschen.
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Schnurr, 900. Vgl. auch Hildebrand, 35 u. Coler, 719. Die Attich-Rezeptur findet sich auch bei Giambattista della Porta, Magia Naturalis, Neapel 1589, Buch 9, cap. 7.
Attich: Zwergholunder (Sambucus ebulus).
Baumöl: Olivenöl.
Pappeln: Hier geht es mit Sicherheit nicht um den Baum. Vielmehr waren auch die Eibischarten (Althaea) unter dem Namen Pappeln bekannt. Zur Verwendung in diesem Rezept mag der wollige Haarbesatz ihrer Blätter beigetragen haben. Bei der Lauge handelt es sich mit Sicherheit nicht um die alkalische Lösung, die man heute mit diesem Begriff verbindet; sondern um ein warmes Wasserbad. Dt. Wörterbuch, Bd. 6 (1885) Sp. 338.
Rautenwurzel: Wurzel der Weinraute (Ruta graveolens). Im Mittelalter war die Raute eine der beliebtesten Heilpflanzen und wurde u.a. zur Behandlung diverser Hautkrankheiten eingesetzt. Im Zusammenhang mit Haarwäschen taucht sie außerhalb dieses Rezepts allerdings nirgends auf, ebenso wenig der Attich. Vgl. zur Raute auch Johannes Gottfried Mayer (Hg.), Kräuterbuch der Klostermedizin. Der "Macer floridus". Medizin des Mittelalters, 131. (i. F.: Mayer, Macer)
[20] Haar wachsend zu machen
Nimm Eyerdotter so viel du willst thue sie in einer eisernen Pfanne über ein Feuer, biss sie brennen, darnach truck das Oel herauß, behalte es in einem Glas und salbe die kahle Stätte damit.

Nimm so viele Eidotter, wie du willst und brate sie in einer Pfanne, bis sie anbrennen. Drücke anschließend das Öl heraus, verwahre es in einem Glas und salbe die kahle Stelle damit.
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Schnurr, 900. Vgl. auch Hildebrand 35f u. Coler 719.
Die Fähigkeiten des beim Braten des Eidotters entstehenden Öls lobt Adam Lonitzer in seinem Kreuterbuch14 (Teil 4, cap. 2, unter der Teilüberschrift: Eyer-Oehl). Er empfiehlt die Anwendung vor allem bei Hautkrankheiten.


[21] Bart Haar wachsend zu machen.
Nimm Bienen so viel du willst brenne sie zu Pulver, mische darunter gleich so viel Leinsaamen. auch zu Aschen verbrennet Eyderenöl (der Welschen Eyderen) so viel gnug ist, schmiere damit den kahlen Ort, Morgens und Abends da du willt Haare haben.

Nimm Bienen so viel du willst und verbrenne sie. Mische unter die Asche den gleichen Teil Leinsamen und nach Bedarf die Asche verbrannten Eidechsenöls (von Mauereidechsen); schmiere damit morgens und abends die kahle Stelle, an der du Haare haben willst.
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Schnurr, 900. Vgl. auch Hildebrand, 36f u. Coler, 719.
Die Bienen sollen hier auf sympathiemagische Weise durch ihre Behaarung wirken. Ein ähnliches Rezept findet sich im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 1, Sp. 1247 (i. F.: Hb. Aberglauben) u. bei Johannes Jühling, Die Tiere in der dt. Volksmedizin alter u. neuer Zeit, Mittweida 1900, 88. Nim Binen tödte sie vnnd tuncke sie vnnd reibe sie zu puluer, darnach temperier sie mitt honig vnnd salbe damitt die glatzende stadt15. Ich nehme an, dass aus dem gleichen Grund der Leinsamen Verwendung fand, denn die Fasern des ausgewachsenen Flachses erinnern stark an menschliches Haar.
Eyderen: Eidechsen. Um die Regenerationskraft der Eidechsen ranken sich zahlreiche Volksglauben, die sicher in der beobachteten Häutung ihren Ursprung haben. Ambrosius hat das Rezept gekürzt. Schnurr, Hildebrand und Coler schreiben noch, wie das Eidechsenöl zu gewinnen ist. Dafür solle man die welschen Echsen lebend in Olivenöl kochen und das Öl anschließend mindestens vierzehn Tage an der Sonne stehen lassen. Die Sonne soll wohl die Kräfte des Öls aktivieren, wie auch die lebende Echse an der Sonne zu Kräften kommt. Mit welschen, also südländischen bzw. romanischen Eidechsen mögen die zahlreichen Arten der Mauereidechsen gemeint sein, welche im Großteil des deutschen Sprachgebietes nicht vorkommen.
Zudem geben Schnurr, Hildebrand und Coler an, dass das Haarwuchsmittel nur funktioniert, wenn man sich den Kopf zuvor regelmäßig mit einer Lauge aus Rebenasche, Frauenhaarfarn (Capillum veneris), Odermennig (hier: Agrimonien) und Efeu gewaschen hat. Auch diesen Zusatz hat Ambrosius weggelassen.
[23] Das einer nicht truncken werde
Wer nicht [Fehlstelle]
will der [Fehlstelle]
[Fehlstelle]tenen Geiss Lungen, oder 5 oder 7 bitter Mandeln vor dem Trincken weil er noch nüchtern ist.
Item, nimm rohes Kohlkraut und iß dasselbe
Oder den Saft von Eyeren roh und trincke denselben des Morgens nüchtern, so wirst du nicht trunken. Itud wenn du truncken bist, so trinke denn Saft so wirst du wieder nüchtern.

Das Rezept wurde zerstört, als eine Ecke des Papiers abgerissen wurde. Bei Schnurr lautet der erste Satz: Wer nicht truncken werden will / der esse von einer gebratenen Geiß Lungen / oder 5 oder 7 bittere Mandeln vor dem Trincken / weil er noch nuechtern ist.

Wer nicht betrunken werden will, der esse von einer gebratenen Ziegenlunge oder esse fünf bzw. sieben bittere Mandeln vor dem Trinken, wenn er noch nüchtern ist.
Oder iss rohes Kohlkraut.
Oder trinke morgens, wenn du noch nüchtern bist, den Saft roher Eier, so wirst du nicht betrunken. Ebenso kannst du verfahren, wenn du bereits betrunken bist. Trinke den Saft und du wirst wieder nüchtern.
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Schnurr, 906. Vgl. auch Hildebrand, 53.
Der Glaube, dass der Genuss einiger bitterer Mandeln vor dem Trinken gegen die Trunkenheit helfe, war schon in der griechisch-römischen Antike verbreitet, u. a. bei Athenaios (Deipnosophistai, Buch 8, 349f u. Buch 10, 426b) und Plutarch (Quaestiones symposii, Buch 1, cap. 6/4). Weitere, auch mittelalterliche Beispiele (u.a. Hans Folz) bringt Wagler (RE, Bd. I/2 [1894], Sp. 1994).
[24] Das einer bald truncken [Fehlstelle] ohne Schaden
[Fehlstelle], lege es in
[Fehlstelle] zu trincken
[Fehlstelle]zel
koche sie in Wasser, mische es unter den Wein so wird er bald truncken.
Item, thue Holunderwasser in Wein.

Das Rezept wurde zerstört, als eine Ecke des Papiers abgerissen wurde.
Bei Schnurr lautet es:
Daß einer bald truncken werde ohne Schaden.
Nimm Paradißholz / lege es in Wein / gib einem davon zu trincken.
Oder / nimm Alraunwurzel / koche sie in Wasser / mische es einem unter den Wein / so wird er bald truncken.
Item / thu Holunderwasser in Wein.

Nimm Paradiesholz, lege es in Wein und gib demjenigen davon zu trinken.
Oder nimm Alraunwurzel, koche sie in Wasser und mische es einem unter den Wein, so wird er bald betrunken. Oder gib Holunderwasser in den Wein.
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Schnurr, 907. Vgl. auch Hildebrand, 57.
Paradiesholz: wohl das Holz des Adlerholzbaum (Aquilaria malaccensis), auch als Paradies- oder Agarbaum bekannt. Das seit dem Altertum als Räuchermittel beliebte Holz des südasiatischen Baumes galt auch als Mittel zur Erweckung der Lebensgeister.
Alraune: Das in der Mandragora officinalis enthaltene Atropin wirkt berauschend und macht schläfrig. Schon bei Lonitzer, 2. Teil, cap. 35.
Den Teil zum Holunderwasser hat schon Schnurr stark gekürzt. Bei Hildebrand heißt es zusätzlich: Oder thu Holunderwasser in den Wein / dis thun bißweilen auch vornehme Leute den Bawren und Fuhrknechten / und Kutschern / in ihren Hochzeiten / daß sie desto ehe gelosen unnd zu Bette bringen. Denn man schläft sehr darnach / doch mus man des Holunderwassers nit zu viel nehmen / oder drein thun / sonsten ists den Menschen schädlich. Warum die Gäste nach dem Genuss des auf diese Art präparierten Weins eher nach Hause gehen, ist nicht ganz klar. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Der Saft der Holunderbeeren kann als Abführmittel dienen; die Blüten rufen heftiges Schwitzen hervor. Überdosierungen können zu Magen- und Darmreizungen führen; daher vielleicht die Warnung. Vgl. Mannfried Pahlow, Das große Buch der Heilpflanzen, München 1979, 172f. (i. F.: Pahlow)
[25] Das einer bald nuchtern werde
Trincke 2 Loth Bethonien Wasser deß Morgens nüchter, oder Essig und Wasser vermengt.
Item, lege ein naß Tuch auf die Schamm.

Trinke des Morgens zwei Lot Betonienwasser nüchtern oder mit Wasser vermengten Essig.
Auch kannst du dir ein nasses Tuch auf den Schambereich legen.
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Schnurr, 907. Bei Schnurr lautet die Überschrift: Einen trunckenen Menschen bald wider nuechtern zu machen.
Vgl. auch Hildebrand, 57f.
Betonie: Ackerziest (stachys arvensis). Schon Lonitzer schreibt in seinem Kräuterbuch, 2. Teil, cap. 140, dass die Betonie bei Übelkeit und Sodbrennen helfe. Leonhart Fuchs empfiehlt die zerstoßene und in Met gelöste Wurzel, um den Brechreiz auszulösen (New Kreuterbuch [...], Basel 1543, cap. 132). Im Mittelalter galt sie als regelrechte Wunderdroge, wird heute aber so gut wie gar nicht mehr verwendet. Vgl. auch Mayer, Macer, 133.
[26] Das einer nicht schlafe.
Trage eine Fledermauß heimlich bey dir.

Trage heimlich eine Fledermaus bei dir.
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Schnurr, 908. Vgl. auch Hildebrand, 72f.
Dieser Hinweis beruht natürlich auf sympathiemagischen Vorstellungen. Da die Fledermaus ein nachtaktives Tier ist, kommt auch der Träger ohne Schlaf aus, der sich die Kräfte des Tieres anzueignen weiß. Alternativrezepte sprechen vom Herzen oder dem Kopf einer Fledermaus (Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 2, Sp. 1586).


[27] Das sich einer bey Nachts an einsamen Orten nicht Ferchte.
Nim Wasser, das von Menschenblut distilliert ist, bestreiche dein Angesicht damit so wirst du behertzt.

Nimm aus Menschenblut destilliertes Wasser, bestreiche dein Gesicht damit und du wirst beherzt.
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Schnurr, 910. Vgl. auch Hildebrand, 76f; Coler,711 u. Michael Babst, Artzney Kunst und Wunderbuch, Eisleben 1604, 223. (i. F.: Babst, Artzney)
Die Vorstellung, dass die Kraft eines Menschen oder Tieres auf den übergehe, der sich Teile von dessen Körper aneignet, findet sich auf der ganzen Erde; Blut kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu.
[28] Das einen mein Schlag nichts Schade.
Wird einer einem in Zorn schlagen und gereuet ihn so balt der Schlag gesche so soll er von Stund an mitten in die flache Hand speyen damit er geschlagen hat so sollt demjenigen , der geschlagen ist worden ist nicht schaden.

Schlägt einer einen anderen im Zorn und es tut ihm anschließend Leid, so soll er von Stunde an in die flache Hand spucken, mit der er geschlagen hat und dem Geschlagenen wird der Schlag nicht schaden.
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Schnurr, 912; hier: Daß einem ein Schlag nicht schade. Vgl. auch Hildebrand, 96; Hildebrand bezieht sich auf Plinius, Naturalis Historia, Buch 28, cap. 4.
Zur (tatsächlichen) heilenden Wirkung des Speichels existieren zahlreiche Rezepte und Zauber aus Volksmagie und -medizin. Das Anspucken eines Gegenstandes oder einer Person soll diese bannen, im vorliegenden Zauber also die Hand, deren Tat rückgängig gemacht werden soll. Zur magischen Bedeutung des Spuckens vgl. auch Deubner in Hwb. Aberglauben, Bd. 8, Sp. 326.
[29] Das einer nicht wund geschlagen kann werden.
Wer das Kraut Herbam victorialen zu teutsch Allermannharnisch bey sich trägt der soll nicht wund geschlagen werden.

Wer das Kraut Herba victorialis, zu Deutsch Allermannharnisch, bei sich trägt, der soll nicht wund geschlagen werden.
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Schnurr, 912; mit einer anschließenden Warnung des Autors, dass man das Rezept lieber nicht ausprobieren solle.
Vgl. auch Hildebrand, 96; Hildebrand wiederum bezieht sich auf Lonicer, Teil 2, cap. 296, wobei er fälschlicherweise Teil 5 des Buches angibt.
Der Allermannsharnisch (Allium victorialis) ist auch unter den Namen Neunhemdenwurz oder Siegwurz bekannt: Die zahlreichen Hüllen ihrer Zwiebel brachten der Pflanze schon früh den Ruf ein unverwundbar zu machen. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 1, Sp. 264f.
[30] Jungfrauschaft zu erkennen
Nimm Armoniacium temperis mit Brunnen Wasser, gibs giebs einer Jungfrau zu trincken und wann sie keine Jungfrau mehr ist du sie balt harnen.
Oder bind ihr Wolfskraut in den Kranz und setze ihr ihn auf daß der Kranz forn an die Stirne rühret, bleibt er ihr auf dem Kopf so ist sie rein wo nicht, meretrixsst [sic]16. Andreas Geßner in seiner Kunst Kunstkammer
Item nimm dir Gall von einem Hasen und wirf sie in der kanne, da sie rauß trincket
Oder nim Wurzel von Epheu brenne sie zu Pulver und haltes ihr an der Naase, ist sie unrein so kann sie den Harn nicht halten.
Item Johann Bapst Porta gedenck eines wunderbaarlichen Rauchs, den man von den Samen des Burtzelkrauts Klättenbläter machen, und durch einen Trichter in die Weiblichen Scham lassen soll, so kann die Person, so ihrer Ehren nicht fomm, den Harn nicht halten, ist aber ihre Jungfrau unversehrt so behält sie den Harn.

Nimm Ammoniacum, gieß es mit Brunnenwasser auf und gib es einer Jungfrau zu trinken. Ist sie keine Jungfrau mehr, muss sie bald urinieren.
Oder binde ihr Wolfskraut in den Kranz und setze ihr den Kranz so auf, dass er vorn die Stirn berührt. Bleibt er auf dem Kopf, so ist sie rein; wo nicht, eine Meretrix. Andreas Geßner in seiner „Kunstkammer“.
Nimm die Galle eines Hasen und wirf sie in die Kanne, aus der sie trinkt.
Oder nimm Efeuwurzel, verbrenne sie zu Asche und halte ihr diese an die Nase. Ist sie unrein, so kann sie den Harn nicht halten.
Auch gedenkt Johann Baptist Porta eines wunderbaren Rauchs, den man aus den Samen des Portulaks oder aus Klettenblättern macht und durch einen Trichter in die weibliche Scham entlassen soll. Ist die Person unrein, so kann sie ihren Harn nicht halten, ist ihre Jungfräulichkeit aber unversehrt, so hält sie den Harn.
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Unverheiratete, schwangere Mägde waren zwangsläufig eine zusätzliche Belastung für den Hof und werden dementsprechend nicht gern gelitten worden sein. Es verwundert daher nicht weiter, dass Ambrosius sich dem Thema in diesem und den folgenden Rezepten besonders intensiv gewidmet hat.

Schnurr, 914. Vgl. dazu auch Hildebrand, 102. Die hier unter der Überschrift Jungfrauschaft zu erkennen zusammengefassten Rezepte sind ganz unterschiedlicher Herkunft. Für das erste gibt Hildebrand Alexius Paedemontanus, De Secreti, 2. Teil, 267 als Quelle an, das zweite stammt aus der Kunstkammer des Andreas Gessner, einem nicht mehr nachvollziehbaren Werk, als Autor des fünften wird schließlich Giambattista della Porta angegeben, vielleicht mit seiner Magiae naturalis sive de miraculis rerum naturalium (1558) oder De humana physiognomonia (1586).
Armoniacium: Sicherlich ist hier das Ammoniacum (Dorema ammoniacum) gemeint, der Ammoniakgummi. Der aus der in Zentralasien heimischen Staudenpflanze gewonnene milchige Saft wirkt in der Tat Harn treibend. Das Harz soll man in Brunnenwasser auflösen, also temperieren. Das Wort temperis beruht also auf einem Rechtschreibfehler; gemeint ist eigentlich „temperiers“.
Wolfskraut: Welche Pflanze genau hier gemeint ist, muss wegen der vielfältigen Verwendung des Namens „Wolfskraut“ offen bleiben. Vielleicht ist es die Gewöhnliche Osterluzei (Aristolochia clematitis), welche angeblich die Schlange, das Symbol der Sünde, vertreibt, aber auch für leichte Geburt sorgen soll. Vgl. Lonitzer, 2. Teil, cap. 132 u. Fuchs, cap. 31. Möglich wäre auch der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus), der wegen der Verbindung seiner Farbe zur Gottesmutter und damit zur Keuschheit in Frage käme. Eine Rolle mag hier auch der Brauch gespielt haben, den zukünftigen Partner am Aufsetzen eines Kranzes zu erkennen, wie Marzell an einem Beispiel aus Baden beschreibt (Hwb. Aberglauben, Bd. 6, Sp. 1065). Das Abfallen des Kranzes würde in diesem Fall bedeuten, dass die Betreffende nicht mehr als Braut geeignet ist.
meretrix: registrierte Prostituierte im alten Rom.
Andreas Geßner: Um welches Buch es sich bei der „Kunstkammer“ des Andreas Geßner handeln soll, ist unklar. Eventuell handelt es sich um den Züricher Drucker Andreas Gesner und dieser war gar nicht der Autor, sondern trat nur als Herausgeber in Erscheinung. Zu Gesner siehe ADB, Bd. 9 (1879), Sp. 95f.
Hasengalle: Der Hase und seine Körperbestandteile galten seit jeher als fruchtbarkeitsfördernd, insbesondere das Blut und die Galle. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 3, Sp. 1524 u. Jühling, Tiere, S. 49.
Efeu: Weil er so selten Früchte trägt, wurde der Efeu zum Symbol der Keuschheit bzw. Unfruchtbarkeit. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 2, Sp. 560 u. Jühling, Tiere, S. 269.
Johann Baptist Porta: der neapolitanische Naturwissenschaftler Giambattista della Porta (1535-1615).
Burtzelkraut: Portulak (Portulaca oleracea), Burgel, Burtzel, Saubohne. Der Portulak fand Verwendung zum Eindämmen der weiblichen Monatsblutung; diente also eher dem Stoppen von Ausflüssen. Vgl. Lonicer, Kräuterbuch, 2. Teil, cap.10 u. Fuchs, New Kreuterbuch, cap. 39. Dass es sich um die Klettenblätter des Burtzelkrauts handelt, beruht auf einem Abschreibefehler Ambrosius. Bei Schnurr und Hildebrand heißt es im gleichen Rezept: […] von den Samen deß Burzelkrauts oder Klettenblätter […].
[31] Schwangere Maegde zu erkennen
Wilt du eine ledige Weibsperson so einen Jungfrau seyn will, probieren ob sie schwanger sey oder nicht so nim Honigseym, der außgetrocknet ist und an keiner Sonne kommen und kalt
Wasser nims so viel als das andere laß warm werden, und nicht stehen, das giebt der vermeinten Jungfer zu trincken, einen guten starken Trunck auf den Abend wenn sie will schlafen gehen aber dass sie nicht darauf esse oder trincke sondern ligend und schlafend bleibe wird sie Ruhe haben kein Weh oder Reissen im Bauch, so ist sie nicht schwanger, wo aber im Gegentheil so ist ist gewiß und wahrhaftich schwanger.

Willst du probieren, ob eine ledige Frau, welche vorgibt Jungfrau zu sein, schwanger ist oder nicht, so nimm Honigseim, der ausgetrocknet und nicht an die Sonne gekommen ist und kaltes Wasser. Nimm von beidem gleich viel, lass es warm werden und nicht stehen. Das gib der vermeintlichen Jungfrau zu trinken und zwar einen guten, starken Trunk am Abend, wenn sie schlafen gehen will. Achte aber darauf, dass sie anschließend weder isst noch trinkt, sondern sich zur Ruhe legt und schlafend bleibt. Verbringt sie eine ruhige Nacht ohne Schmerzen oder Reißen im Bauch, so ist sie nicht schwanger, wo aber das Gegenteil eintrifft, so ist sie es mit Sicherheit.
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Schnurr, 914f. Vgl. auch Hildebrand, 106; ein ähnliches, nicht wortgleiches Rezept findet sich auch bei Paedemontanus, De Secreti, 2. Teil, 266.
Honigseim: Im Gegensatz zum kristallisierten Steinhonig bezeichnete Honigseim den flüssigen und besten Honig, der von allein aus den Waben fließt und sich meist ganz oben im Stock befindet. Zuweilen wurde Seim auch als Synonym für Schleim gebraucht, z. B. Gerstenseim, Graupenseim etc.; auch: der junge Honig bzw. der von den Jungfernbienen gesammelte Honig, also von jenen Bienen, die im Frühsommer als erste ausschwärmen. Die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung Jungfernhonig (mel virgineum) mag der Grund für die hier vorliegende Anwendung sein. Vgl. Krünitz, Bd. 25 (²1790) 6; Hwb. Aberglauben, Bd. 4, Sp. 306. Mit dem Reißen im Bauch ist das Einsetzen der Regelblutung gemeint.
[32] Wann ein iung Gesell buhlischer weise bezaubert, oder mit unordenlicher Liebe gegen ein Weibsen entzundet ware.
Michael Pabst schreibt in seiner Gieftjagenden Haus Buch, als auch in seiner Artzung Kunst oder Wunder Buch Musst du eine wieder deinen Willen lieben oder ihr nachlaufen so ziehe im ein paar Schuh an gehe eine Meile geschwiende darinnen daß dir die Füße schwitzen, dannach ziehe den rechten Schuh auß, gieße Bier oder Wein darinn und thue darauß ein einen Trunckt, so wirst du ihr von Stund an gram werden.

Michael Bapst schreibt in seinem „Giftjagenden Hausbuch“, als auch in seinem „Artzney- Kunst- und Wunderbuch“: Musst du eine gegen deinen Willen lieben oder ihr nachlaufen, so ziehe ein Paar Schuhe an und gehe eine Meile geschwind darinnen, so dass dir die Füße schwitzen. Ziehe den rechten Schuh anschließend aus, gieße Bier oder Wein hinein und trinke ihn aus, so wird sie augenblicklich ihr Interesse an dir verlieren.
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Schnurr, 916. Vgl. auch Hildebrand, 119; auch schon bei Babst, Artzney, 189f. Obwohl als Quelle genannt, befindet sich das Rezept nicht im Gifftjagenden Kunst und Haußbuch des Michael Babst. Vielleicht diente die 1592 in Leipzig von Zacharias Bärwald gedruckte Ausgabe beider Babst-Bücher als Vorlage; dies würde die Nennung beider Werke erklären.
Der Sinn dieses Unternehmens scheint in der Tat darin zu liegen, dass der gegen seinen Willen geliebte den üblen Geruch seiner Schuhe annehmen möge, um die ihm Nachstellende so zu vergraulen.
[33] Ein anderes Mittel.
Nimm den Koth oder Dreck von derselben Frauen, welcher dir etwas angethan oder dir deine Mannheit genommen hat, lagr ihn in deinen rechten Schuh, und so du denn Geruch empfindest, wirst du wiederum ledig.
Oder nimm eine Federkiel, oder eine leere Haselnuß, thu darein Quecksilber, vermach das Loch mit Wachs, lege es unter das Hauptküssen oder unter die Thürschwele, so wird dir geholfen,
Item, schmiere den ganzen Leib mit Dalen Gallen, und Sesaminöhl, so wirst du erlöst.
Item, nimm einen Zahn von einen todten Menschen und beräuchere dich damit, so wird dir gewiß geholfen.

Nimm den Kot derselben Frau, die dir etwas angetan oder dir deine Männlichkeit genommen hat, lagere ihn in deinem rechten Schuh und sowie du den Geruch empfindest, wirst du ihrer ledig sein.
Oder nimm einen Federkiel bzw. eine leere Haselnuss, fülle Quecksilber hinein, verschließe das Loch mit Wachs und lege das ganze unter das Kopfkissen oder die Türschwelle, so wird dir geholfen.
Ebenso wirst du erlöst, wenn du dir den ganzen Leib mit Kieferngallen und Sesaminöl schmierst.
Oder nimm den Zahn eines toten Menschen und beräuchere dich damit, so wird dir gewiss geholfen.
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Schnurr, 916, hier unter dem Titel Wann ein Mannsbild von einem boesen Weibe waere bezaubert worden. Der Ursprung der hier wiedergegebenen Rezepte lässt sich weit zurückverfolgen. Vgl. dazu Hildebrand, 120. Für den Kotzauber bezieht Hildebrand sich auf Alexius Paedemontanus, De Secreti, 435f, beim Zahnzauber auf Petrus Hispanus, Thesaurus Pauperum, cap. vlt.17
Allerdings findet man auch bei Paedemontanus, De Secreti, Teil 1, 435f alle vier Zauber wieder und nicht nur den ersten. Anders als die Überschrift bei Schnurr zunächst vermuten lässt, handelt es sich bei ihnen ursprünglich um Mittel gegen die durch Hexerei verursachte Impotenz, was bei Paedemontanus deutlicher wird.
Derselbe Kotzauber mit dem Paedemontanus-Verweis findet sich auch bei Babst, Artzney, 381f, hier unter dem Titel Es wird auch der Menschenkoth wider allerley Zeuberey gebraucht / wie aus den nachfolgenden exemplis zu sehen. Zusätzlich gibt Bapst an gleicher Stelle einen nahezu identischen Zauber wieder, der ebenfalls auch dem Thesaurus Pauperum des Petrus Hispanus stammen soll. Auch der Zahnzauber findet sich bei Babst (126f.), wiederum in einer Version des Paedemontanus (mit Bezug auf die Basler Ausgabe der Secrete von 1570) und einer des Petrus Hispanus.
Vgl. zu den verschiedenen Quellen des Eintrags 33 auch Seite 7 dieser Arbeit.
Kot: Wie Speichel und Blut so galt auch der Kot als Träger von Lebenskraft und war daher eng mit dem verbunden, von dem er stammte; deshalb spielte er bis in die Neuzeit eine Rolle in zahlreichen Zaubern. Über ihren Kot glaubte man Personen beeinflussen oder ihnen sogar schaden zu können. Ob das in diesem Fall durch das Zertreten des Kots im Schuh geschehen sollte, geht aus dem Eintrag nicht hervor. Vgl. Hwb Aberglauben, Bd. 5, Sp. 366f.
Quecksilber: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war Quecksilber ein beliebtes Abwehrmittel gegen Verzauberung und Hexerei; die Haselnuss u. der Federkiel dienen lediglich als Behältnis und haben keine magische Bedeutung. Zahlreiche Quellen nennt Olbrich (Hwb. Aberglauben, Bd. 7, Sp. 416f).
Dalengallen: Dale ist ein veralteter Begriff für die Waldkiefer (Pinus silvestris). Bei Schnurr u. Hildebrand ist allerdings von Rabengallen die Rede, also von der Galle eines Raben, wahrscheinlich ist Dalen daher ein Abschreibefehler. Zur Rabengalle als Heilmittel gegen die durch Zauber hervorgerufene Impotenz vgl. auch Jühling, Tiere, 226.
Sesaminöl: Das Sesamöl hat, wenn es frisch gepresst ist, einen unangenehmen Geruch, der erst über einen längeren Lagerzeitraum verschwindet
Zahn: Ein ähnlicher Zauber findet sich schon bei Plinius (Naturalis historia, Buch 28, cap. 42), allerdings mit völlig anderem Hintergrund. Das Beräuchern mit dem Zahn eines Toten vertreibt angeblich Zahnschmerzen; ebenso könne man dafür den Eckzahn eines unbestatteten Toten am Leibe tragen. Auch hier geht es darum Kraft zu übertragen. Im Falle des Liebeszaubers soll der Zahn abwehrend wirken (beißen).
[34] Mannheit wieder zu bringen.
Nimm Hirschbrunst Muschcatennüße ganzen Pfeffer, ganzen Saffran, anen
1 Quint oder einer Muschcatennuß schwer sied es in ein virtel Wein wie harte Eyer, das thrincke morgen und Abends warm, 2 Stunden vor Essens.

Nimm je ein Quint Hirschbrunst, Muskatnüsse, ganzen Pfeffer, ganzen Safran und siede es in einem Viertel Wein solang wie harte Eier; das trinke morgens und abends warm, zwei Stunden vor dem Essen.
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Schnurr, 917. Vgl. auch Hildebrand, 122. Ursprünglich stammt das Rezept aus Oswald Gabelkovers18 Arzneybuch, Tübingen 1595, 1. Buch, 363f. Gabelkovers geht von Zauberei als Ursache der Impotenz aus.
1 Quint: Das Quint entspricht dem Apothekergewicht der Drachme. Für Gabelkovers Rezept kann man daher von einem Gewicht von 3,73g ausgehen, der Nürnberger Drachme, die auch im Herzogtum Württemberg in Gebrauch war. Das selbe Maß galt auch zu Ambrosius Zeiten in Sachsen. Vgl. Löhmann, Tafeln zur Verwandlung des Längen- u. Hohl-Masses, 74f. u. 62.
Hirschbrunst: Gemeine Stinkmorchel (Phallus impudicus). Die an einen erigierten Penis erinnernde Stinkmorchel findet hier sicherlich ihrer Form halber Verwendung.
Muskatnuss und Pfeffer galten als „erhitzend“. Vgl. Lonitzer, 2. Teil, cap. 195 u. cap. 400. Schnurr u. auch Hildebrand sprechen nicht von ganzem sondern von langem Pfeffer. Der Lange Pfeffer oder auch Stangenpfeffer (Piper longum) bildet im Gegensatz zum Schwarzen Pfeffer keine Körner sondern Kätzchen aus. Deren phallische Form mag zur Verwendung in dieser Rezeptur beigetragen haben.
[35] Wann einer sonst mit seinem Weibe nichts zu schaffen haben kann
So nimm Riengelbluben, finde sie wohl thue Honig darzu und trincke davon

So nimm Ringelblumen, koche sie gut, tue Honig dazu und trinke davon.
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Schnurr, 918. Vgl. auch Hildebrand, 125.
Die Ringelblume wurde im deutschsprachigen Raum häufig für Liebeszauber u. -orakel herangezogen (Hb. Aberglauben, Bd. 7, Sp. 724)


[36] Das alle Flöhe im ganzen Haus zusamen kommen.
Salbe einen Ort mit Eselsmilch
Welcher von den Oel etwas in Leib nimmt in welcher ein stellio ersoffen ist der wird voller Läuse. Wer viel Castanien rohr isset, der gewinnt viel Läuse an Leibe und Kleidern. Wer aber dagegen täglich von Brode in Oel getrunck ist der bekommt keine Läus.

Salbe einen Ort mit Eselsmilch.
Welcher etwas von dem Öl zu sich nimmt, in welchem eine Sterneidechse ertrunken ist, der wird voller Läuse. Wer viele rohe Kastanien isst, der bekommt zahlreiche Läuse an Leib und Kleidern. Wer hingegen täglich in Öl getunktes Brot isst, der bekommt keine Läuse.
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Schnurr, 919. Vgl. auch Hildebrand, 134f. Für den Hinweis mit der Eselsmilch vgl. zudem Bapst, Gifftjagendes Kunst vnd Haußbuch [...], Leipzig 1592, 182.
Stellio ist der lateinische Name der Sterneidechse. Das seltsame Rezept stammt laut Hildebrand aus den Tiergeschichten des Claudius Aelianus, cap. 19, Bl. 192.
Kastanien: Dass Läuse bekommt, wer rohe Kastanien isst, findet man bei zahlreichen Autoren, u. a. bei Lonitzer, 1. Teil, cap. 36 u. im Hortus Sanitatis des Johann Wonnecke v. Kaub, Mainz 1485, cap. 122. Lonitzer nennt gleich noch das Gegenmittel: Lavendel. Marzell meint, dass dieser Aberglauben ursprünglich darauf zurückginge, dass in Zeiten des Hungers, wenn oft Brot aus Kastanienmehl gebacken wurde, auch der Parasitenbefall zunahm. Letzterer beruht allerdings auf den zurückgehenden Abwehrkräften des menschlichen Körpers. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 4, Sp. 1067; zur Verwendung von Kastanienmehl in Hungerzeiten auch Maurizio, Die Gesch. unserer Pflanzennahrung, Berlin 1927, S. 57f. Entsprechend sinnig erscheint der letzte Satz des Eintrags, der uns mitteilt, dass jener keiner Läuse bekomme, der täglich Brot und Öl isst.
[37] Einen schoenen Firnisz zu machen.
Augstein, zerreibe ihn, lege ihn an der Sonne in Leinöhl laß ihn darinnen lautern sieds darnach miteinander so ist gerecht.

Nimm Bernstein, zerreibe ihn, lege ihn an der Sonne in Leinöl und lass die Lösung klar werden; siede sie anschließend, so ist es gut.
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Schnurr, 922. Vgl. auch Coler, 712.
Augstein oder Agstein ist eine veraltete Bezeichnung für den Bernstein.


[38] Das dich ein heis Eisen nicht brenne.
Nimm Bilsensaft, bestreich die Hände einmal oder 4 damit, laß allewegen an der Sonne trocken Oder nimm Ochsengall, und bestreiche die Hände oft damit es hat gleich Wirckung.

Nimm Bilsensaft, bestreiche die Hände ein- oder viermal damit und lass sie an der Sonne trocken werden.
Oder nimm Ochsengalle und bestreiche die Hände mehrmals damit; es wirkt sofort.
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Schnurr, 922. Vgl. auch Coler, 712.
Dieses Rezept mag seinen Ursprung in der betäubenden und schmerzstillenden Wirkung des Bilsenkrauts (Hyosciamus) haben, das in der Volksmedizin lange Zeit gegen rheumatische Schmerzen, Zittern und Krämpfe eingesetzt wurde. Fuchs lobt die schmerzstillende Wirkung des Safts, warnt aber zugleich davor Samen oder Blätter innerlich anzuwenden, da sie Mensch und Vieh unsinnig machten (cap. 324); ähnlich Lonitzer (2. Teil, cap. 58). Zur Wirkung des Bilsenkrauts vgl. auch Pahlow, Heilpflanzen, S. 86.
Ochsengalle gebrauchte man bei Ausschlag und äußerlichen Entzündungen. Vgl. Lonitzer, 3. Teil, cap.17.
[41] Das des Gelds nimmer weniger werde
Nim eine Widhopfen Zunge, und laß 4 Messen darüber lesen und legs zum Geld.

Nimm die Zunge eines Wiedehopfs, lass vier Messen darüber lesen und leg sie zum Geld.
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Schnurr, 922.
Wiedehopf: Der Wiedehopf galt als dämonischer Vogel, den man für mannigfache Zauber gebrauchen kann; einerseits wohl wegen seines auffälligen Aussehens, andererseits wegen des Gestanks seines Bürgeldrüsensekrets, welcher ihm den Ruf einbrachte, sich gern bei Gräbern aufzuhalten. Noch Lonitzer glaubte, dass der Wiedehopf in Gräbern und im Menschenkot lebe. Kopf, Auge, Herz und Zunge sollen Glück bringen u. werden auch – wie im vorliegenden Beispiel - für Geldzauber eingesetzt. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 9, Sp. 566; Lonitzer, 4. Teil, cap. 49.


[42] Das dich ein Feuer nicht brenne
Nim Eisenkraut und Eyerklar, temperies untereinander und schmier die Hände damit.

Nimm Eisenkraut und Eiklar, mische es gut untereinander und schmiere dir die Hände damit.
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Schnurr, 922.
Lange Zeit galt das Eisenkraut (Verbena officinalis) als schmerzstillendes Wundmittel von geradezu wundersamer Wirkkraft; eine tatsächliche Wirkung ist allerdings nicht bewiesen. Vgl. Mayer, Macer, 156f; Fuchs, cap. 226; Lonicer, Teil 2, cap. 141; Pahlow, Heilpflanzen, 120.

[43] Zu schiessen was mann will
Nimm das Herz und die Leber von einer Fledermauß thus unter das Bley, wann du Kugel giessest, so kannst du treffen was du siehst.

Nimm Herz und Leber einer Fledermaus und lege beides unter das Blei, wenn du Kugeln gießt; so kannst du alles treffen, was du siehst.
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Schnurr, 922f. Vgl. auch Coler, 712.
Dieser Zauber hat seinen Ursprung in der Fähigkeit der Fledermaus auch in der Dunkelheit treffsicher zu jagen. Alternativrezepte raten dem Jäger sich mit dem Blut des Tieres einzureiben oder dessen Herz bei sich zu tragen. Zahlreiche Rezepturen gibt Riegler wieder (Hwb. Aberglauben, Bd. 2, Sp. 1588).


[44] Bey der Nacht zu sehen.
Schmire deine Augen mit Blut einer Fledermauß.

Schmiere deine Augen mit dem Blut einer Fledermaus.
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Schnurr, 923; ein nahezu identisches Rezept Deß Nachts zu sehen wie am Tag befindet sich auf S. 905. Vgl. auch Hildebrand, 50 u. Coler, 712. Hildebrand bezieht sich bei seinem Rezept auf (Pseudo)Albertus Magnus, De miraculi mundi, womit er wohl das Liber de mirabilibus mundi meint.
Mit dem Blut soll sich die Nachtsichtigkeit der Fledermaus auf den Menschen übertragen.
[45] Das mann einen nicht sehen könne
Stech einer Fledermauß das rechte Aug aus, und wann du es bey dir hast, bist du unsichtbar.
Oder nimm ein Ohr von einer schwarzen Katze und sieds mit Milch von einer schwarzen Kuhe darnach mach dir ein Däumling daraus, und stecke ihn an dem Daumen so sieht mann dich nicht.

Stich einer Fledermaus das rechte Auge aus; wenn du es bei dir hast, bist du unsichtbar.
Oder nimm ein Ohr von einer schwarzen Katze und koche es in der Milch einer schwarzen Kuh. Mache dir anschließend einen Däumling daraus und stecke ihn an den Daumen, so sieht man dich nicht.
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Schnurr, 923. Vgl. auch Coler, 712.
Der Glaube, dass das rechte Auge der Fledermaus unsichtbar machen könne, war weit verbreitet, u. a. in Schwaben, Böhmen und Tirol. Die Ursache des Glaubens liegt in der wirklichen „Unsichtbarkeit“ des nachtaktiven Jägers, der oft nur an seinen Geräuschen auszumachen ist. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 2, Sp. 1583f. Ebenso sollen die Körperteile der schwarzen Tiere dafür sorgen, dass der Träger des Nächtens schwarz erscheine.


[46] Das du behaldest was du tiesest [sic]19
Nimm ein Aug von einem Widhopfen und trag es bey dir, Oder bestreiche um Mitternacht das Haupt und die Stirne mit Rossenwasser so bekommst du ein gut Gedachtniß.

Nimm das Auge eines Wiedehopfs und trage es bei dir. Oder bestreiche dir um Mitternacht den Kopf und die Stirn mit Rosenwasser, so bekommst du ein gutes Gedächtnis
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Schnurr, 923.
Augen und Zunge des Wiedehopf stärken angeblich das Gedächtnis und machen klug. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 9, Sp. 566. Rosenwasser kräftigt laut Lonitzer das Hirn und vertreibt die Müdigkeit (Teil 2, cap. 63).
[47] Das man einen nicht überwinden koenne.
Nim Beyfußsaft aus der Apotheke, schmire dich damit bis an die Ellbogen, und bestehe dan ein Kampf mit einem, so wirst du obsiegen.

Nimm Beifußsaft aus der Apotheke, salbe dich damit bis an die Ellbogen. Begibst du dich dann in einen Kampf, so wirst du siegen.
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Schnurr, 923. Vgl. auch Coler, 712.
Schon Plinius schreibt, dass der an die Füße gebundene Beifuß auf langen Märschen die Müdigkeit nimmt (Naturalis historia, Buch 25, cap. 73); Lonitzer meint zudem, dass der Saft die Glieder kräftigt (Teil 2, cap. 173). Den alten Brauch sich am Abend des Johannisfeuers, wenn die Sommersonne den Höhepunkt ihrer Kraft erreicht hat, einen Beifußgürtel umzulegen und diesen dann ins Feuer zu werfen, beschreibt Fuchs (cap. 13).

[48] Gluck im Spiel zu haben.
Wer ein Eulenhertz bey sich trägt soll Glück zu Spielen haben
Item nimm den Stein den die Fledermauß in den Rücken trägt, und trag ihn bey dir.
Oder trag einen Widhopfenkopf bey dir.

Wer ein Eulenherz bei sich trägt, der soll Glück im Spiel haben.
Auch kannst du den Stein bei dir tragen, den die Fledermaus im Rücken trägt.
Oder trage den Kopf eines Wiedehopfs bei dir.
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Schnurr, 923.
Kopf, Auge, Herz und Zunge des Wiedehopfs sollen Glück bringen. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 9, Sp. 566. Den ganzen Zauber gibt auch Jakob Grimm wieder (Deutsche Mythologie, Bd. 3, 442, Nr. 251); im selben Band nennt Grimm einen weiteren Geldzauber, bei dem ein Wiedehopfkopf Verwendung findet: Ein Beutel von Maulwurfsfell, darin ein Widhopfskopf, samt einem Pfennig steckt, bei sich getragen, lässt niemand ohne Geld (445, Nr. 329).
[49] Heimlichkeit zu erfahren.
Nim das Herz von einen Raben und legs den schlafenden auf das Herz so erfahrst du es.

Nimm das Herz eines Raben und lege es dem Schlafenden auf die Brust, so erfährst du, was du wissen willst.
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Schnurr, 924.
Raben galten als Orakel und Botschafter. Vgl. Grimm, Mythologie, S. 559f.


[50] Das mann eine liebe.
Trag Widhopfen Augen bey dir, so bist du lieb und angenehm. Oder trage das Auge von einen Dachsen bey dir, so gefällst du jedermann wohl.

Trägst du die Augen eines Wiedehopfs bei dir, so scheinst du allen lieb und angenehm. Oder trage das Auge eines Dachses bei dir; so gefällst du jedermann gut.
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Schnurr, 924.


[51] Schlafende auszukundigen.
Leg ihn unter seinen Küßen eine Zunge von einen Geisten [sic]20 lebeendig ausgeschnitten.

Lege ihm die Zunge einer Ziege unter sein Kissen, die dem lebenden Tier herausgeschnitten wurde.
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Schnurr, 924.
[52] Das die Weiber nacken aus dem Bad laufen.
Leg Quecksilber und Ameis Eyer in die Badstube.

Lege Quecksilber und Ameiseneier in die Badestube.
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Schnurr, 924.
Hier geht es offensichtlich darum die Frauen zu erschrecken und so aus dem Bad zu vertreiben. Die Kombination aus einer Ameisenplage und den schon im Mittelalter als giftig geltenden Quecksilberdämpfen (Konrad v. Megenberg, Buch der Natur, Bl. 184v: Von dem Kocksilber) scheint dazu recht gut geeignet. Allerdings glaubte man auch, dass Ameiseneier unsichtbar machen könnten, in diesem Falle also eventuell einen Voyeur verbergen. Geht man von letzterem aus, könnte das als besonders zauberkräftig geltende Quecksilber die Aufgabe eines „Katalysators“ erfüllen. Für den Glauben, dass Ameiseneier unsichtbar machen vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 1, 362. Zur Wirkung des Quecksilbers vgl. die Anmerkungen zu Eintrag 33.


[53] Das die Leute ohne Haupt ercheine
Thue in einen Glas Schwefeln und Wachs das zünde an.

Gib Schwefel und Wachs in ein Glas und zünde es an.
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Schnurr, 924. Mehrere magische Lampen, die die Erscheinung der beleuchteten Person verändern sollen, beschreibt auch Hildebrand in seiner Magia Naturalis, 60-65 und verweist dafür auf Giambattista della Porta und (Pseudo)Albertus Magnus. Da sie ihm unmüglich erscheinen, gibt er sie nur in Latein wieder; Ambrosius Einträge 53 u. 54 sind nicht dabei.
Wie verbrannter Schwefel dazu führen soll, dass die Leute ohne Haupt erscheinen, ist nicht sachlich zu erklären. Eine Überdosis an Schwefeldioxid führt zwar zu Bewusstseinseintrübungen, nicht aber zu Halluzinationen. Isidor schreibt mit Bezug auf Plinius, dass Schwefel in einer Weinkanne auf Kohlen gesetzt und herumgetragen eine schreckliche gelbe Farbe wie von Toten verbreite. Zwischen beiden Darbietungen mag ein Zusammenhang bestehen. Vgl. Isidor, Etymologiae, Buch 16, cap. 1/9; Plinius, Naturalis Historia, Buch 35, 175.
[54] Das die Leute scheinen, als haben sie Esels Ohren.
Eselsmilch mit Oel vermischt und in einen Ampel angezünt, gibt denn Leuten eselisch Außsehen.

Eselsmilch mit Öl vermischt und in einer Lampe angezündet, lässt die Leute wie Esel aussehen.
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Schnurr, 924.
Die Erfahrung, dass bestimmte, dem Lampenöl beigemischte Zusatzstoffe ein besonderes Licht erzeugen und damit die Erscheinung der Umgebung verändern, mag zu dem Glauben geführt haben, dass sich die Eigenschaften der Zusätze durch das Licht auf das erleuchtete Objekt übertragen ließen. Die Idee hinter der Lampe beruht also auf einfacher Sympathiemagie.


[55] Das dich kein Hund anbelle.
Trag das Herz oder Zunge von einem Hund bey dir so bellen dich die Hunde nicht an.

Trägst du das Herz oder die Zunge eines Hundes bei dir, so bellen dich die Hunde nicht an.
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Schnurr, 925. Vgl. auch Coler, 722. Hildebrand spricht in seiner Magia Naturalis, 171 vom Herzen eines Hundes und verweist dabei auf Sextus Platonicus21.
[56] Einen verrosteten Groschen schön zu machen.
Nim gerieben Ziegl Mehl, nüchtern Speigl und Quecksilber, reibe ihn damit er wird schön.
Oder, nimm geriebene Ziegl Saltz und geriebene Pfeffer und Essig, bestreiche den Groschen wohl mit dem selben Teiglein und leg ihn auf glühenden Kohlen biß er warm wird, und nicht glühend wird, so gewinnt er eine gute Gestalt die gerecht ist.

Nimm Ziegelmehl, Speichel und Quecksilber, reibe ihn damit und er wird schön.
Oder nimm geriebenen Ziegel, Salz, geriebenen Pfeffer und Essig, bestreiche den Groschen gut mit diesem Gemisch und lege ihn auf glühende Kohlen bis er heiß wird, aber nicht glühend. Auf diese Art wird er bald wieder gute Gestalt erhalten.
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Schnurr, 929. Vgl. auch Coler, 723.
erstes Mittel: Der Ziegelmehlteig poliert die korrodierte Oberfläche; das Quecksilber verbindet sich mit dem Metall der Münze zu einem silberfarbenen Amalgam und täuscht so einen frisch geprägten Groschen vor. Kupfermünzen können auf diese Art wie Silber erscheinen.
zweites Mittel: Die Essigsäure reagiert mit dem Sauerstoff der Oxidschicht und reduziert diesen; das Salz dient der Stabilisierung dieser Reaktion und gleichzeitig als Scheuermittel, wie auch das Ziegelmehl; der Nutzen des Pfeffers ist unklar. Die Hitze des Feuers mag die Reaktion beschleunigen.


MDCCCXXI verdeutsch 1821.
[57] Ein leichten Gulden schwer zu mache.
Nimm Roßdreck der eines Tages alt ist, druck den Saft heraus, und leg den Gulden darein er wird schwer und wichtig.

Nimm Pferdekot, der einen Tag alt ist, drücke den Saft heraus und lege den Gulden hinein, so wird er schwer.
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Schnurr, 929f. Vgl. auch Coler, 723.
Pferdekot wird in der Tat gern zum Patinieren metallener Oberflächen verwendet. Dadurch wird die Münze aber nicht schwerer, sondern wirkt vielmehr älter und wertiger.


[58] So einer mit einem Pferd bezaubert ist
Wenn du bezaubert bist, dass du mit einen Pferd nicht kannst fort kommen, so nimm ein Niderwaht, und reist zu kleinen Trümlein und mache es so weit, daß das Roß kann hindurch kommen so hast die Zauberey nicht an dir.

Wenn du auf eine Art verzaubert bist, dass du mit deinem Pferd nicht mehr von der Stelle kommst, so nimm ein Unterhemd, zerreiß es in kleine Stückchen und mache es so weit, dass das Pferd hindurch kommen kann, so wird die Zauberei von dir abfallen.
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Schnurr, 930; Coler, 723.
Niderwaht: Niederwat, Niederwad, Unterhemd. DWB, Bd. 13, Sp. 812.
Trümlein: Trümmel, kleines Stück; verwandt mit Trümmer. DWB, Bd. 22, Sp. 1348.
Ähnliche Zauber, bei denen das behexte Pferde mit einem Hemd abgewischt oder ihm das Hemd als Kummet auf den Hals gelegt wird, sind aus Tschechien und Österreich überliefert. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 3, Sp. 1730.
[59] Flöhe zu vertreiben.
Nimm Coriander, siede ihn in Wasser und spreng den Ort damit, da die Flöhe sind, so werden sie vertrieben. Oder, leg Coriander in dein Bett, so liegen sie als Todt.
Item, stoß Ochsenzungenwurtz, thue den Saft davon, und reibe dich damit.
Oder, reibe dich mit Wermuthsafft, so komme sie nicht an dich.
Item, schmiere dich mit Baumöl, ist auch gut

Nimm Koriander, siede ihn in Wasser und besprenge den Ort damit, wo die Flöhe sind; sie werden vertrieben. Oder lege Koriander in dein Bett; davon sterben sie.
Auch kannst du Ochsenzungenwurzel zerstoßen, den Saft herauspressen und dich damit einreiben.
Oder reibe dich mit Wermutsaft ein, so kommen die Flöhe nicht an dich.
Auch kannst du dich mit Baumöl einschmieren.
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Schnurr, 930; Coler, 723. Rezepte für Koriander- und Wermutauszüge auch bei Bapst, Gifftjagendes Kunst vnd Haußbuch [...], Leipzig 1592, 182-85.
Koriander: Weder bei Lonitzer, noch bei Fuchs, Konrad v. Megenberg oder im Hortus Sanitatis findet sich ein Hinweis darauf, dass Koriander gegen Flöhe eingesetzt worden wäre. Vielleicht liegt hier eine Verwechslung vor. Der altgriechische Name ?????? leitet sich von ????? (Wanze) ab; auch die lateinische Bezeichnung cimicia (Wanzenkraut) beruht laut Isidor angeblich darauf, dass dieses Kraut dem cimex (Wanze) ähnele, womit wahrscheinlich dessen Geruch gemeint ist. Fuchs schreibt in seinem Kreuterbuch, dass keine Wanze so übel stinken könne wie der grüne Koriander (cap. 130). Babst oder seine nicht mehr nachvollziehbaren Quellen mögen davon ausgegangen sein, dass der Name daher rühre, dass der Koriander gegen Wanzen und anderes Ungeziefer helfe.
Ochsenzungenwurz: Mit Sicherheit handelt es sich hierbei um die Wurzel der Gemeinen Ochsenzunge (Anchusa officinalis), deren Kraut hohe Konzentrationen giftiger Alkaloide enthält. Schon Isidor weist indirekt auf ihre Giftigkeit hin, indem er anmerkt, dass sie genossen wurde um Fröhlichkeit auf Gastmählern hervorzurufen (Isidor, Ethymologiae, Buch 17, cap. 49).
Wermut (Artemisia absinthium) vertreibt durch die in ihm enthaltenen Bitterstoffe (u. a. Absinthin) in der Tat Insekten. Im Mittelalter fand er angeblich in der Schreibtinte der Klosterbibliotheken Verwendung, um die Mäuse vom Anfressen der Bücher fernzuhalten; auch setzte man ihn gegen Kleidermotten ein. Vgl. Mayer, Macer, 128 u. Konrad v. Megenberg, Buch der Natur, Bl. 188r.
[60] Floehe zu versammlen.
Bestreich einen Hafen mit Böckenunschlitt, setze ihn vor dein Bett, so sammlen sich alle Flöh darrin in der kammer.

Bestreiche einen Tiegel mit dem Fett eines Bockes, stelle ihn vor dein Bett und alle Flöhe aus deiner Kammer werden sich darin versammeln.
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Schnurr, 930. Vgl. auch Coler, 723 u. Bapst, Gifftjagendes Kunstbuch, 182.


[61] Floehe zu Toeten.
Zünde Poley an in den Gemach, da die Flöhe innen sind, so sterben sie.

Zünde Polei in dem Zimmer an, das von Flöhe betroffen ist, und sie werden sterben.
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Schnurr, 930. Vgl. auch Coler, 723 u. Paedemontanus, De Secreti, 2. Teil, 65.
Poleiminze (Mentha pulegium), auch unter dem Namen Flohkraut bekannt, ist ein wirksames Mittel gegen Insekten.
[62] Wantzen zu toeten und vertreiben
Nimm Wermuthsafft und Baumöl schmiere den selben Ort damit.

Nimm Wermutsaft und Olivenöl und salbe den betroffenen Ort damit.
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Schnurr, 930. Vgl. auch Coler, 723 u. Pedemontanus, De Secreti, 2. Teil, 64 (Für die waentel oder wantzen).
Wermut: Vgl. die Anmerkungen zu Eintrag 59.


[63] Mäuse zu tödten.
Nimm Bilsensafft und bestreiche damit was du wilt, welche Maus davon isset, die muß sterben.

Nimm Bilsensaft und bestreiche damit was du willst. Wenn eine Maus davon isst, muss sie sterben.
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Schnurr, 931. Vgl. auch Coler, 723.
Bilsenkraut: Zur Giftigkeit des Bilsenkrauts vgl. die Anmerkungen zu Eintrag 38.
[64] Ratten und Mäus zu tödten.
Am Tag Christian welcher ist St. Jacobe Abens, grob Attigwurtzel und Kraut, stecks in der 4 Ecken dem Hauses.

Grabe Attichwurzel und -kraut am Christianstag aus und stecke sie in die vier Ecken deines Hauses.
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Schnurr, 931. Vgl. auch Coler, 723.
Ambrosius hat falsch abgeschrieben, denn bei Schnurr und Coler ist nicht vom Tag Christian sondern dem Tag Christinae die Rede. Gemeint ist also der Gedenktag der Hl. Christina von Bolsena, der 24. Juli, auf den der Tag des Apostels Jacobus folgt. Die wohl unter Kaiser Diokletian hingerichtete Christina galt als Patronin gegen das Ungeziefer, da sie giftige Schlangen zu besänftigen wusste. Marzell beschreibt (Hwb. Aberglauben, Bd. 1, Sp. 671) ein ähnliches Rezept, bei dem der am Christinentag ohne Eisen ausgegrabene Attich in die vier Winkel des Hauses gehängt werden sollte. Als Zauberpflanze wurde er nicht selten gegen Gewitter und Ungeziefer eingesetzt. Das im Rezept erwähnt Kraut ist meiner Meinung nach das Attichkraut. Es wurden also Wurzel und Kraut des Attichs eingesetzt und nicht etwa Attichwurzel in Kombination mit einer weiteren Pflanze. Der Attich ist leicht giftig.
Vgl. auch G. F. Most, Die symphatischen Mittel und Curmethoden, Rostock 1842, 66; SAVk 6 (1902) 56; BBKL, Bd. 1 (1975) Sp. 1004–1005.


[65] Maulwürff zu vertreiben.
Auf den ersten Freytage in den Maertz solltu alle Maulwürf Haufen, auf den Acker Wiesen und Gärten verscharren, so verliern sie sich alle, und scharren nicht im selbigen Jahr mehr an denselben Ort

Ebne am ersten Freitag im März alle Maulwurfshaufen auf deinen Äckern, Wiesen und Gärten ein und die Maulwürfe werden im selben Jahr keine neuen graben.
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Schnurr, 933. Vgl. auch Coler, 724.
[68] Das die Füchs und Geyer den Hünern nicht schaden.
Gib ihnen die Lung von den Füchsen und Geyern zu essen, so sind sie sicher vor ihn.

Gib den Hühnern die Lungen von Füchsen und Geyern zu essen, so sind sie vor ihnen sicher.
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Schnurr, 934. Vgl. auch Coler, 714; Bapst, Gifftjagendes Kunstbuch, 331: […] wenn man ihnen eine Fuchsleber zu fressen giebet / so sein die hüner gleichfalls auch für dem Fuchs sicher; Paedemontanus, De Secreti, 2. Teil, 86. Bapst verweist auf Ravisius22; wahrscheinlich auf dessen Enzyklopädie Officinae epitome.
Die Eigenschaften ihrer Fressfeinde sollten durch das Verfüttern der Lungen auf die Hühner übergehen; man glaubte, dass sie auf diese Weise von den Füchsen und Geiern nicht mehr erkannt würden.


[69] Das die Füchs sterben.
Bind Bilsensamen in ein Tuchlein und legs an die Ort da die Füchse wandeln, welcher daran riecht der muß sterben.

Binde Bilsensamen in ein Tuch und lege es an einen Ort, den die Füchse regelmäßig aufsuchen. Wenn ein Fuchs daran riecht, muss er sterben.
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Schnurr, 934. Vgl. auch Coler, 714.
Bilsenkraut: Zur Giftigkeit des Bilsenkrauts vgl. die Anmerkungen zu Eintrag 38.
[70] Das dir die Füchse folgen wohin du wild
Lege eine Fuchsleber in Eßig drey Tage laß sie darnach trucken in einer warmen Stube, damit du sie pülvern mögest, leg auch in eine warm Wasser Fuchsschmaltz oder Schmär, damit das Wasser das Saltz ausziehe, dasselbige Schmär, Honig und Geyl von einer Fuchsin und ein wenig Zucker, mische es wohl und mache eine Salbe daraus, salbe die Schuh damit, so follgen dir die Füchse nach, wo du sie hin haben wilt.

Lege eine Fuchsleber drei Tage lang in Essig und lass sie danach in einer warmen Stube trocknen, damit du sie zu Pulver zerreiben kannst. Lege auch Fuchsschmalz und -fett in Wasser, damit das Wasser das Salz ausziehe, mische eben jenes Fett mit Honig, etwas Zucker und dem Geil einer Füchsin und mache eine Salbe daraus. Salbst du deine Schuhe damit, so folgen die die Füchse nach, wohin du willst.
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Schnurr, 934. Vgl.auch Coler, 714.


Carl Ludwig Ambrosius in Schoenbrunn 1821


[71] Vor Bienen Stich.
Nimm Pappeln, stosse sie und reibe das Angesicht und die Hände damit, so bist du sicher vor den Bienen wenn sie schwärmen.

Nimm Eibisch, zerstoße ihn und reibe dir Gesicht und Hände damit ein, so bist du vor den Bienen sicher, wenn sie schwärmen.
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Schnurr, 934. Vgl. auch Coler, 714; Bapst, Gifftjagendes Kunstbuch, 341; Pedemontanus, De Secreti, Teil 2, 163. Bapst verweist auf Plinius, Naturalis historia, Buch 20, cap. 21.
Pappeln: Hier ist nicht der Baum gemeint. Schon Lonitzer schreibt, dass zahlreiche Kräuter unter diese Bezeichnung fallen, vor allem der Eibisch. Mit Bezug auf diesen berichtet auch er von der akuten u. prophylaktischen Anwendung gegen Bienen- und Hornissenstiche (Kräuterbuch, 2. Teil, cap. 184).
[72] Wie mann einen weisen Pferd einen schwarzen Stern an die Stirn brennen soll.
Nimm einen irdenen Topf, koche denselben wohl in Wasser, und stoß ihn darnach gar klein zu Pulver in einen Mörser, das nimm darnach, und binde es dem Pferden auf die Stirn ein Tag und Nacht, in wenig Tagen werden die weisen Haar ausfallen und schwartze wieder wachsen.

Nimm einen Tontopf, koche ihn in Wasser und zerstoße ihn anschließend in einem Mörser zu Pulver. Dieses Pulver nimmst du und bindest es dem Pferd einen Tag und eine Nacht lang auf die Stirn. Nach nur wenigen Tagen werden die weißen Haare ausfallen und schwarze werden nachwachsen.
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Schnurr, 935f. Vgl. auch Hildebrand, 142 u. Coler, 714. Hildebrand verweist auf Isabella Cortese23, I Secreti, Venedig 1561, Buch 3, cap. 65.


[73] Ein weis Pferd schwarz zu machen
Sied einen Maulwurf in Saltzwasser gar wohl, damit schmier oder recht ein Pferd oftt, so fallen die weissen Haar aus, und wachsen schwartze.

Siede einen Maulwurf gut in Salzwasser. Schmierst oder kämmst du ein Pferd oft mit diesem Sud, so fallen die weißen Haare aus und schwarze wachsen nach.
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Schnurr, 936. Vgl. auch Coler, 714.
Die schwarze Farbe des Maulwurfs soll sich durch den Sud auf das Pferd übertragen.
[74] Das einem Pferd die schwarzen Haar ausfallen, und an dessen statt weisse wachsen.
Siede einen Maulwurf 3. Tage ein einen Topf voll Wasser, oder aber so lange biß er gar zerfalle, mit diesen Wasser oder vielmehr mit der Fettigkeit, so oben auf dem Wasser schwimmet, besalbe den Ort damit da du es weiß haben wilt.
Oder machs also: Siede den Maulwurf in gesalzenem Wasser oder Lauge, biss er eingesotten ist, als dann thue ander Wasser oder Lauge darüber, und laß es auf sieden, und bestreige darnach denselben Ort mit diesen Wasser.

Koche einen Maulwurf drei Tage lang in einem Topf voll Wasser oder aber zumindest so lang bis er zerfällt. Mit diesem Wasser bzw. mit dem obenauf schwimmenden Fett salbst du den Ort, an dem du es weiß haben willst.
Oder mache es so: Siede den Maulwurf in gesalzenem Wasser oder in Lauge, bis er eingekocht ist, übergieße ihn sodann erneut mit Wasser oder Lauge und lass es aufkochen. Dann bestreiche den betreffenden Ort mit der Brühe.
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Schnurr, 936. Vgl. auch Hildebrand, 142f. u. Coler, 715. Den ersten Absatz des Zaubers findet man auch bei Gabrielle Fallopio, Opera omia, Buch 3, cap. 155, ins Dt. übers. von Nicolas Hoffmann unter dem Titel Gabrielis Fallopii Wunderbarlicher und Menschlichem Leben gewisser / und sehr nutzlicher Secreten drey Buecher, Frankfurt/Main 1616.
Der Hintergedanke dieses Zaubers entspricht jenem des Eintrags 73. Zur Bedeutung des Begriffes Lauge vgl. die Anmerkungen zu Eintrag 19.
[75] Ein schwarz Ros weis zu machen
Mann soll Hünerdreck und Fuß über die Stirne binden oder über einen andern Ort und eine Nacht darob stehen laßen so findet man des Morgens einen weissen Kopf.

Binde Hühnerkot oder -füße eine Nacht lang über die Stirn bzw. eine andere Stelle des Pferdes und du findest die betreffende Stelle am Morgen weiß vor.

Schnurr, Wunderbuch, S. 936. Vgl. auch Hildebrand, Magia, S. 143 u. Coler, Oeconomia, S. 715. Hildebrand verweist auf Fallopio, Opera omnia, Buch 3, cap. 155 (Einem Rappen weisse Zeichen zu machen).
Sicherlich ist hier ein weißes Huhn gemeint, dessen Farbe sich auf diese Weise auf die betreffende Stelle übertragen sollte.


[76] Einen weissen Bferd ein schwarz Ohr von einen schwarzen Bferd anzusetzen.
Balsamäpfel in Oel gebeitzt, haben eine solche Kraft zu heilen daß sie auch abgehauene Glieder zusammen heilen, daß man einen weissen Pferd ein Ohr abschneiden und ihm ein Ohr von einen schwarzen Pferd damit aufsetzen.

In Öl gebeizte Balsamäpfel haben eine solche Heilkraft, dass sie auch abgehauene Glieder wieder anwachsen lassen. So kann man einem weißen Pferd ein Ohr abschneiden und ihm dafür das Ohr eines schwarzen Pferdes ansetzen.
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Schnurr, 936. Vgl. auch Hildebrand, 143; Coler, 715 u. Lonitzer, 2. Teil, cap.39.
Die Mär, dass man mit Hilfe der Balsamäpfel abgetrennt Körperteile wieder ansetzen könne, taucht schon im Kräuterbuch des Adam Lonitzer auf. Hinter den Balsamäpfeln verbirgt sich die ursprünglich im tropischen Afrika beheimatete Momordica balsamina, von der Lonitzer schreibt, dass sie in den hiesigen Breiten nur schwer gedeihen würde. Die Früchte wurden früher in Öl eingelegt und als Oleum Momordicae u. a. zur Behandlung von Brandwunden verwendet.
[77] Das sich ein Pferd nicht übersauf
Nimm eine Schlangezunge die da lebendig aus einer Schlange gerissen ist, flecht die in eine Geißel so lang du dieselbe in Wasser über den Pferd schweben lesst, so übersauft sichs nicht und hatt es in 3 Tagen nicht gesoffen.
Oder, steckte ihm in Reiten ein Holunderzweig auf den Kopf, so übersauffts sich es nicht in der Hitze.

Nimm eine Schlangenzunge, die einer lebenden Schlange herausgerissen wurde, flechte sie in eine Geißel ein und lasse dieselbe beständig über dem Pferd kreisen. So übersäuft es sich nicht, selbst wenn es seit drei Tage nichts gesoffen hat.
Oder stecke ihm beim Reiten einen Holunderzweig auf den Kopf, so übersäuft es sich nicht in der Hitze.
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Schnurr, 936. Vgl. auch Hildebrand, 144.
Die Formulierung mutet etwas seltsam an. In der Tat ist wohl gemeint, dass man eine Schlangenzunge in die Pferdepeitsche einflechten soll. Solange man diese über dem Pferd schweben, also kreisen lasse, wird es sich nicht übersaufen u. auch nicht ermüden. Vgl. Hwb. Aberglauben, Bd. 7, Sp. 1155.


[78] No: 38. Das dich Niemand schüßen kann schreibe dir Worte auf drag sie bey dir.
Schreibe folgende Worte auf und trage sie bei dir, damit dich niemand erschießen kann.
Friet x ss r x i x e xx [?]altorium
x Sannopriem
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Die Herkunft dieses und der folgenden drei Zauber ist unklar; sie stammen nicht aus dem Kunst-, Haus- und Wunderbuch des Balthasar Schnurr. Ambrosius hat die auf einem separaten Zettel niedergeschriebenen Zaubersprüche seinem Heftchen lose beigelegt. Im Gegensatz zu den übrigen Rezepten, Hausmitteln und Zaubern seines Wunderbüchleins handelt es sich hierbei um verschlüsselte Zaubersprüche, die man am Körper zu tragen hatte. Eine Aufschlüsselung scheint kaum möglich, schon allein deshalb, weil nicht klar ist, ob es sich bei dem häufig wiederkehrenden Buchstaben x um ein Leerzeichen oder einen Platzhalter handelt. Zudem scheinen einige der Zeichen gar keine Buchstaben sondern magische Sigillen zu sein.
[79] No 39. Drage diese Worte bey dir so kan dir keine Kugel nichts thun und soldt frey sein.
Trägst du diese Worte bei dir, so kann dir keine Kugel etwas anhaben und du sollst frei sein.
A E V E [?] x 3 tag x K K x ff ma
T + Sancacco
x


[80] No 43 Das du alles treffen sollst wonach du schüsest Drage die Worte unter den rechten Arm
Trage diese Worte auf dem rechten Arm und du wirst alles treffen, wonach du schießt.
+ A T y o C x Hor 8 sun 4 HilnxCa
fl 8 Camforn x Ain + ft n +
pap xx 8 x f x K x o x fl x


[81] No: 44. Vor das halte diese drey unterschriebenen Zeilen angehangt, und der Bacienten Nahmen dabey geschriben worden […]

Der letzte Eintrag ist unvollständig, da der untere Teil abgeschnitten wurde. Es kann gut sein, dass dem Autor bei diesem Zettel nur die Seite mit den Einträgen 38 und 39 wichtig war und diese irgendwo ausgeschnitten wurde. Eintrag 80 und die unvollständige 81 wären in diesem Fall nur zufällig überliefert.
Bacienten: Vielleicht aus dem Spanischen; paciente = Patient, Probant


Wunderbüchlein