Kapitel I
Das Wunderbuch des Carl Ludwig Ambrosius. Enstehung, Inhalt, literarische Gattung.

1.1 Das Ambroßgut und die Familie Ambrosius

Im Besitz der namengebenden Familie Ambrosius befand sich das Ambroßgut nur für zwei Generationen zwischen 1792 und 1868. Gottlob Friedrich Ambrosius, Sohn eines Hufschmieds aus Drebach2, hatte das Gut in Schönbrunn von seinem Schwiegervater Johann Gottfried Hoffmann nach der Hochzeit überschrieben bekommen; es war eines der größten Anwesen im Dorf. Der Sohn Carl Ludwig wurde 1806 als achtes Kind der Familie geboren; außer ihm erreichte nur eine Schwester das Erwachsenenalter; die übrigen sieben Geschwister aus dieser ersten Ehe des älteren Ambrosius verstarben schon kurz nach der Geburt oder im Kleinkindalter. Auch von den drei Kindern einer nach dem Tod der Ehefrau 1806 geschlossenen zweiten Ehe überlebte nur eines.
Gottlob Friedrich Ambrosius selbst verstarb 1851, sei Sohn Carl Ludwig, der das Gut vom Vater geerbt hatte, 1868. Die Ehe des Sohnes mit der Tochter eines Erbgutbesitzers aus Grünthal blieb kinderlos.
Das Ambrossgut ging daher an Carl Gotthilf Hoffmann über, den Ehemann der Agnes Bertha Wagner, des Pflegekinds des jüngeren Ambrosius. Hoffmann Sohn Gustav Alfred, der letzte Gutsbesitzer, verstarb 1970 ebenfalls kinderlos und vermachte das Gut testamentarisch der LPG „Glück Auf“, der er das zum Hof gehörende Land schon zuvor zur Bearbeitung überlassen hatte, ohne selbst der LPG je beigetreten zu sein.
Das sogenannte „Hexenbüchlein“ des Carl Ludwig Ambrosius tauchte kurz nach dem Tode Hoffmanns auf, als dessen Nachlass veräußert wurde. Ein Apotheker aus Wolkenstein erwarb dabei einen antiken Sekretär und entdeckte das Manuskript im Geheimfach. Seine Tochter überließ es als dauerhafte Leihgabe dem Verein „AmbrossGut Schönbrunn e. V.“.
1.2 Entstehung und Inhalt des „Schönbrunner Wunderbüchleins“

Beim sogenannten „Schönbrunner Wunderbüchlein“ handelt es sich um eine handschriftliche Kompilation mit 81 Einträgen, welche ohne Einband mit Bindfaden zusammengeheftet wurde und 43 Seiten sowie ein lose hinzugelegtes Papierstück kleineren Formats umfasst. Der vom Verein AmbroßGut e. V. häufiger benutzte Begriff „Hexenbüchlein“ ist irreführend, denn es handelt es sich um eine Zusammenstellung diverser Rezepte und Zauber, die nur am Rande mit der Abwehr von Hexen zu tun haben und nicht etwa um eine Anleitung zur Erkennung von Hexen wie der Malleus Malificarum. Das Heft trägt den Titel Wunderbuch für Karl Ludwig Ambrosius und ist datiert auf den 29. Juni 1821. Es umfasst 81 jeweils mit einer hervorgehobenen Überschrift versehene Einträge, die wiederum meist mehrere kurze Rezepte oder Zauber umfassen. Verfasst wurde es von einer Hand, wobei die Formulierung […] für Karl Ludwig Ambrosius und das Datum der Niederschrift zunächst auf Gottlob Friedrich Ambrosius als Verfasser hinzuweisen scheinen. Carl Ludwig Ambrosius wurde am 03. Juni 1803 geboren; das Datum der Taufe ist unbekannt, es könnte aber durchaus der 29. Juni gewesen sein. Geht man davon aus, so scheint es möglich, dass der Vater das Büchlein seinem einzig überlebenden Sohn zum achtzehnten Jahrestag der Taufe schenkte.
Schon die zweite Seite des Heftchens zeigt uns, dass es sich beim Wunderbuch für Karl Ludwig Ambrosius um die Abschrift eines älteren Werkes und nicht etwa um eine originelle Neuschöpfung bzw. Kompilation regionalen Brauchtums und Wissens handelt. Ambrosius gibt den vollständigen Titel seiner Vorlage an. Es ist das Kunst-, Haus- und Wunderbuch des württembergischen Pfarrers Balthasar Schnurr (1572-1644), Erstauflage in Hanau 1619, in der 1690 vom Verleger Johann Haas herausgegebenen Frankfurter Ausgabe. Der auf den Titel folgende Zusatz Poss. Carl Ludwig Ambrosius lässt hier schon an einer Verfasserschaft es älteren Ambrosius zweifeln, wenn es auch möglich erscheinen mag, dass jener das Buch als Besitz seines Sohnes signierte. Doch lässt die Signatur Carl Ludwig Ambrosius auf der 39. Seite keine Zweifel über die Verfasserschaft mehr zu. Geschrieben wurde das Schönbrunner Wunderbuch also vom jüngeren Ambrosius, als dieser gerade einmal 18 Jahre alt war. Nichtsdestotrotz mag der Vater seinem Sohn anlässlich des 18. Geburts- oder Tauftages die Vorlage für die Abschrift zur Verfügung gestellt haben.
Ambrosius schrieb nicht das ganze Buch ab. Von den zahlreichen Kapiteln der Schnurrschen Vorlage, u. a. ein Kochbuch, ein Konfektbuch sowie Abhandlungen über Zoologie, Metallurgie, Feuerwerkskunst und Jagd, gibt er nur zwei wieder und auch diese nur in Auszügen.
Aus dem schmalen Essigbuch (bei Schnurr 86-89) übernahm er sieben von elf Rezepten, aus dem Wunderbuch (bei Schnurr 886-989) 74 Zauber bzw. Rezepturen von insgesamt 474. Die aus dem Wunderbuch übernommenen Abschnitte kreisen u. a. um die Themen Schädlingsbekämpfung (14 Einträge), Sexualität (acht Einträge), Haarpflege (sieben Einträge), Pferde (sieben Einträge)
sowie fünf Zauber zum Themenkreis Heimlichkeit/Unsichtbarkeit/Auskundschaften. Hinzu kommen u. a. einzelne Einträge zu Reparaturen, Geldzaubern, Trunkenheit und Unverwundbarkeit. Diese Auswahl der Beiträge spiegelt die Lebensrealität des (groß)bäuerlichen Umfelds um
1800 wieder. Essig war eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel, nicht nur weil man Lebensmittel damit haltbar machen konnte sondern auch, weil der mit Wasser vermengte Essig bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eines der wenigen nichtalkoholischen Erfrischungsgetränke darstellte; auch diente er für medizinische Zwecke. Gleich mehrere Rezepturen sollen
der Vertilgung von Flöhen, Läusen und Mäusen dienen; mehrfach tauchen auch Mittel gegen Füchse und Maulwürfe auf, die Hühner bzw. Wurzelgemüse bedrohen. Jungfrauschaft zu erkennen, schien dem noch unverheirateten, jungen Ambrosius auch einen Eintrag mit mehreren Rezepturen wert zu sein. Hier mag es um eigene Ambitionen
gehen, mit Sicherheit aber auch um die Mägde, an deren Schwangerschaft der Hofherr keinerlei Interesse haben konnte, da durch die Kinder dauerhaft Arbeitskraft abgezogen worden wäre.
Auch bei den Einträgen, die Rezepturen für rasches Ausnüchtern enthalten, mag es nicht nur um den Autor selbst, sondern
auch um das Gesinde gegangen sein. Jugendlichem Übermut entspringen mit Sicherheit mehrere Einträge, die sich mit Heimlichkeit befassen. Darunter fallen unter anderem ein Zauber, der verhindern soll, dass man von Hunden angebellt wird und einer, der für nächtliche Unsichtbarkeit sorgt. Einige Rezepturen scheinen auch auf
Betrug abzuzielen, zum Beispiel jene in denen beschrieben wird wie man die Farbe eines Pferdes zu ändern habe oder wie man einen leichten Gulden schwer macht. Die Reihenfolge der Einträge entspricht jener in der Schnurrschen Vorlage, auch wenn dazwischen zahlreiche andere ausgelassen wurden. Auch im
Rahmen dieser Auswahl schrieb Ambrosius nur das ab, was ihm wichtig erschien. Umfasst ein Artikel bei Schurr mehrere Rezepte, so findet man im Schönbrunner Wunderbuch meist nicht alle wieder. Auch weiterführende Ergänzungen oder gar Warnhinweise wurden vom Schreiber oft eingespart. Es seien nur einige Beispiele genannt:
In Ambrosius Eintrag 21 ließ jener die gesamte Vorbehandlung weg, ohne die das beschriebene Haarwuchsmittel angeblich nicht funktionieren kann. Auch die Anleitung für die Herstellung des benötigten Eyderenöls fehlt an dieser Stelle. Eintrag 23 gibt nur drei von ursprünglich fünf Rezepten wieder,
Nr. 24 drei von sechs, Nr. 25 nur drei von ursprünglich vier. Die Reihe ließe noch weit fortführen.

Entstanden ist die Abschrift in mindestens fünf Etappen von sehr unterschiedlichem Umfang. Das erste mal schien der Schreiber nach Eintrag Nr. 56 zum Abschluss kommen zu wollen, denn er unterschrieb am unteren Ende der Seite mit MDCCCXXI verdeutsch 1821. Auch die folgenden Unterschriften stehen stets am Seitenende und tragen damit den Charakter eines Abschlusses. Nach Eintrag Nr. 66 folgt als Abschluss der Seite 1821, auf Eintrag 70 folgt Carl Ludwig Ambrosius in Schoenbrunn 1821. Ein das ganze Heft abschließender, vergleichbarer Eintrag fehlt. Nun nimmt das Wunderbuch in der betreffenden Ausgabe des Kunst-, Haus- und Wunderbuchs des Balthasar Schnurr die Seiten 886-989 ein. Die Abschrift des Ambrosius endet jedoch mit einem Eintrag, der sich bei Schnurr gerade einmal auf Seite 937 befindet. Dies lässt in Zusammenhang mit der fehlenden Abschlusszeile des Schreibers den Verdacht aufkommen, dass ein Teil der Schönbrunner Abschrift verloren gegangen ist. Vielleicht wurden die Blätter sogar erst zusammengebunden, als der Schluss des Buches schon fehlte. Alternativ könnte man vermuten, dass die Vorlage der Abschrift aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen abrupt abhanden kam.

Nichts mit Balthasar Schnurr zu tun, hat der lose dem Heft hinzugefügte Zettel, der vier nummerierte magische Unterweisungen zeigt. Aus welcher Quelle sie stammen, ist unklar, doch zeigen die Nummerierungen 38, 39, 43 und 44, dass es sich auch hierbei um eine Abschrift handelt.
Ob Ambrosius für sein Wunderbuch tatsächlich eine gebundene Ausgabe des Schnurrschen Kunst-, Haus- und Wunderbuches vorlag, ist nicht gewiss. Einige eklatante Fehler lassen sich eigentlich nur erklären, wenn man von einer Vorlage ausgeht, die ebenfalls handschriftlich verfasst und daher vielleicht schlecht leserlich war. So schreibt Ambrosius in Eintrag 9 Nim holtz Bech und halb Hartz, obwohl es halb Bech heißen müsste. In Nr. 33 schreibt er schmiere den ganzen Leib mit Dalen Gallen, obwohl bei Schnurr von Raben-Gallen die Rede ist. Die gut leserliche Frankfurter Druckausgabe hätte solche Fehler eigentlich ausschließen müssen, zumindest wären sie im Nachhinein aufgefallen. Alternativ könnte man annehmen, dass sehr rasch abgeschrieben werden musste, da die gedruckte Vorlage nur begrenzt und zu bestimmten Zeiten bereitstand, womit sich auch die in sich geschlossenen Abschnitte und das abrupte Ende der Abschrift erklären ließen.
1.3 Zur literarischen Gattung

Will man die literarische Gattung des Schönbrunner Wunderbüchleins bestimmen, muss man sich dessen Vorlage zuwenden. Das Kunst- Haus- und Wunderbuch des Balthasar Schnurr lässt sich nicht eindeutig einer literarischen Gattung zuordnen, denn es vereinigt in sich Merkmale der Hausväter- wie auch der Kunst- und Wunderbuchliteratur, zweier Sachbuchtypen, die ihre Ursprünge im 16. Jahrhundert haben und nach dem Dreißigjährigen Krieg zur vollen Blüte gelangten. Die Hausväterliteratur hatte ihren Ursprung im protestantischen Milieu und erreichte dort auch ihre weiteste Verbreitung. Als ihr erster großer Vertreter kann der Prediger Johannes Coler (1566-1635) gelten, der mit seiner Oeconomia ruralis et domestica die Grundlage für zahlreiche verwandte Werke des 17. Jahrhunderts legte. Anspruch Colers war es, sowohl ökonomisches Alltagswissen als auch protestantische Sittenlehre zu vermitteln, wobei man einerseits Ähnlichkeiten mit der Oeconomia christiana von Luther und Menius erkennen kann, andererseits aber auch das Vorbild antiker Agrarschriftsteller wie Lucius Columella. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Acker-, Garten- und Weinbau, wobei Coler seine Quellen nicht kritiklos übernimmt, sondern hinterfragt und damit als einer der Pioniere einer eigenständigen deutschen Agrarliteratur gelten kann. Hinzu kommen u.a. Kapitel über den Fischfang, die Pferdezucht, Malerbedarf aber auch über das Zusammenleben der Ehegatten und die Kindererziehung.
Im Gegensatz dazu bietet die Kunst- und Wunderbuchliteratur aufbereitetes Wissen verschiedener Fachgebiete, welches meist die Wirkung verborgener Naturkräfte zum Inhalt hat. Dabei spielen bei einigen Autoren durchaus empirische Experimente eine Rolle (della Porta), während andere sich auf bloßes Sammeln und Abschreiben beschränken, wobei als Quellen sowohl antike Autoren, als auch die mittelalterliche Mirabilienliteratur und diverse medizinische und botanische Werke des Mittelalters und der Renaissancezeit in Frage kommen. Schwerpunkte bilden medizinische und kosmetische Rezepte, Haushaltshilfen, alchemische Anweisungen, aber auch Zauber und diverse Kunststücke und Spielereien. Früheste Vertreter der Genres findet man in Italien, so zum Beispiel De Secreti des Alexius Pedemontanus4 (1555) oder die Magia Naturalis des Giambattista della Porta5 (1558). Als erste Wunderbücher eines deutschsprachigen Autors sind wohl die Werke Michael Babsts6 zu werten, das erstmals 1590 erschienene Artzney Kunst und Wunderbuch sowie das Gifftjagende Kunst- und Haußbuch (1591), die vorwiegend medizinischen Charakter tragen, dabei aber von abergläubischen Vorstellungen geprägt sind. Auch Wolfgang Hildebrands7 (um 1570/80-1635) Magia Naturalis von 1609 ist ein eklektisches Kompendium aus praktischen Ratschlägen für die Haushaltung und diversen Kunststücken und Wundern, die auf der Wirkung verborgener Naturkräfte beruhen sollten.
Babst, Hildebrand und Schnurr nennt Joachim Telle8 als die ersten, die versucht hätten gelehrtes lateinisches Wissen aus dem physikalisch-praktischen Bereich an eine deutschsprachige Leserschaft zu vermitteln, durchaus auch in Konkurrenz zueinander.
Dies mag für den Bereich der sogenannten Wunderbuchliteratur gelten, lässt sich jedoch nicht generalisieren, da auch Coler seinen breiten hauswirtschaftlichen Fundes, der auch Themengebiete wie die Metallurgie einbezieht, zu einem nicht geringen Teil aus antiken Quellen schöpft.

Ob nun Balthasar Schnurrs Kunst-, Haus- und Wunderbuch ohne weiteres in die Kategorie der Wunderbücher eingeordnet werden kann, bleibt fraglich. Wie Eingangs schon erwähnt, verschmelzen hier Elemente beider Gattungen. Einerseits beginnt das Buch mit einer Hausregel für den gottesfürchtigen Hausvater und bietet wie Coler ein breites Spektrum hauswirtschaftlicher Anleitungen vom Kochen, über den Wild- und Fischfang bis hin zum Wein- und Gartenbau, andererseits findet man auch Kapitel zur Alchemie, zur Traumdeutung und ein ausgedehntes Wunderbuch voller kosmetischer Rezepte und diverser Zauber. Aufschlussreich ist auch Schnurrs kurzes Vorwort zum Wunderbuch, in dem er darauf hinweist, dass sein Werk zwar den Namen Kunst- und Wunderbuch trage, er in erster Linie jedoch gute und nützliche Künste achte 9 und dass jener Leser, der Wunder suche, doch lieber bei Paedemontanus, Fallopio10, Porta, Mizaldus11 und Hildebrand nachlesen möge. Dass er nun doch einen Wunderbuch-Abschnitt in sein Buch integrierte, begründet er damit, dass die von ihm ausgewählten Beiträge doch auch etwas Nutzen geben12 würden.
1.4 Ursprung der Schnurrschen Rezepte und Zauber

Hausväter- und Wunderbuchliteratur sind nicht nur bei Schnurr eng verwoben. Durch zahlreiche nahezu wortgleich auftauchende Beiträge lässt sich bei vielen Autoren feststellen von wem sie abgeschrieben haben und durch wen sie beeinflusst wurden. Ein großer Teil des Schnurrschen Wunderbuchs ist zum Beispiel aus dem ersten Buch von Hildebrands Magia Naturalis (dort S. 24-139) und dem achtzehnten Buch von Colers Oeconomia (dort S. 699-732) abgeschrieben; lediglich die Einträge 4, 39-42, 46 und 48-53 tauchen nicht ein einem der beiden Bücher auf. Allerdings erfolgte die Übernahme mit geringen Abweichungen. Die ursprünglichen Quellen, die Hildebrand in vielen Fällen noch nennt, lässt Schnurr weg, ebenso Hildebrands lateinische Auslassungen; manche Rezepte kürzt er auch. Im Rahmen der folgenden Kommentierung habe ich versucht die Beiträge der Schnurrschen Vorlage so weit es geht zurückzuverfolgen und so möglichst viele der ursprünglichen Quellen ausfindig zu machen, auch über Coler und Hildebrand hinaus. Als bezeichnendes Beispiel sei an dieser Stelle nur die Rezeptionsgeschichte des Eintrags 33 erwähnt. Schon bei Schnurr bilden die Einträge 32 und 33 eine Einheit, indem sich letzteren auf den ersten bezieht; beide bieten Mittel gegen Liebeszauber.
In Eintrag 32 ist zudem vermerkt, dass er ursprünglich aus Michael Babsts Artzney- Kunst- und Wunderbuch stamme. Nun schrieb Schnurr allerdings nicht von Babst ab, sondern von Wolfgang Hildebrand, in dessen Magia Naturalis uns selbige Einträge wortgleich und in der gleichen Anordnung begegnen. Hildebrand gibt als Quellen für den Eintrag 32 ebenfalls Babst, für die Nr. 33 jedoch Alexius Pedemontanus und Petrus Hispanus13 an. In der Tat findet sich der gesamte Eintrag 33 auch bei Alexius Pedemontanus, allerdings ohne Verweis auf den ungleich älteren Petrus Hispanus. Diesen findet man jedoch bei Michael Babst, der ebenfalls Teile des Eintrags 33 wiedergibt, wenn auch an unterschiedlichen Stellen seines Artzney- Kunst- und Wunderbuches. Der Überlieferungsprozess könnte also folgendermaßen erfolgt sein: Der Eintrag 33 des Schönbrunner Wunderbüchleins umfasst vier magische Rezepte gegen Liebeszauber. Davon lassen sich zumindest zwei bis ins 13. Jahrhundert, zu Petrus Hispanus, zurückverfolgen. Diese übernimmt, vielleicht nach weiteren Zwischenstationen, Alexius Pedemontanus in seinem De Secreti und arbeitet sie in einen Block von Rezepten gegen die durch Zauberei verursachte Impotenz ein. Die zwei Rezepte, die noch von Hispanus stammen, schreibt später Michael Babst von Pedemontanus ab, denn er nennt in seinem Artzney- Kunst- und Wunderbuch beide Autoren als Quellen. Hildebrand hat von Babst und Pedemontanus abgeschrieben, denn er nennt einerseits Babst in Eintrag 32 als Quelle und bezieht sich auf Hispanus, den Pedemontanus verschweigt, andererseits gibt er in der Nr. 33 aber auch Zauber wieder, die nicht bei Babst, sondern nur bei Pedemontanus auftauchen. Schnurr wiederum schreibt bei Hildebrand ab, verzichtet dabei aber auf die meisten Quellenangaben (nur der Verweis auf Babst im Eintrag 32 bleibt); Ambrosius übernimmt dann alles von Schnurr.
1.5 Zu dieser Arbeit

Auf Wunsch des Vereins AmbroßGut e. V. umfasst die vorliegende Arbeit eine Transkription des „Schönbrunner Wunderbüchleins“, eine freie „Übersetzung“ der einzelnen Einträge in moderne Sprache sowie einen Kommentar. Die Einträge werden der Reihe nach bearbeitet und wurden von mir der Übersichtlichkeit halber mit Ziffern in eckigen Klammern durchnummeriert. Beim Essigbuch liegt der Schwerpunkt der Kommentierung auf der empirischen Verifizierung der Rezepte, beim Wunderbuch auf der Erläuterung der Begriffe und den Hintergründen der aufgeführten Zauber. Am Anfang eines jeden Kommentars ist die entsprechende Fundstelle für Schnurr angegeben. Zudem wurden alle Einträge auf Parallelüberlieferungen geprüft, um ihrem Ursprung über die Schnurrsche Vorlage hinaus möglichst weit zurückverfolgen zu können. Keine Parallelüberlieferung scheint lediglich für die Einträge 4, 39-42, 46 und 48-53 zu existieren. Herzlich bedanken möchte ich mich bei Frau Ute Reuter für die Bereitstellung der Materialien zur Familiengeschichte der Familien Ambrosius und Hoffmann sowie bei Apothekerin Steffi Liebing für ihre Hilfe bei der Verifizierung der Essigrezepte.



Konrad Reinhold
Wunderbüchlein