1914 - 1933
Das Ambrossgut in Zeiten von Krieg und Krise

Am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, in den Deutschland nahrungsmitteltechnisch völlig unvorbereitet ging. Wie bereits im vorigen Kapitel angedeutet, war Deutschland auf Nahrungs- und Futtermittelimporte in Höhe von jeweils ca. 15-20 Prozent des Gesamtbedarfs angewiesen. Die Errichtung der britischen Seeblockade, die den Importhandel unterband, führte schnell zu Problemen bei der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Nahrung, des Viehs mit Futter und der Äcker mit Dünger, zumal die Reichsregierung anfangs von einem kurzen Krieg ausging und keine entsprechenden Gegenmaßnahmen traf. Neben dem wegbrechenden Import nahm auch die Eigenproduktion ab, bei der tierischen aufgrund des fehlenden Futters, bei der pflanzlichen wegen des Düngermangels. So gingen im Laufe des Krieges die Bestände an Schweinen von 25,6 Mill. auf 9,2 Mill. Stück (!), an Rindern von 20,9 Mill. auf 16,4 Mill. Stück zurück. Bei den Pferden war ein Minus von 5 Prozent zu verzeichnen. Einzig die Schafhaltung wurde für die Herstellung der Uniformen um 20 Prozent ausgedehnt. Schon bald hatte der Rückgang der Tierproduktion einen gesundheitsgefährdenden Eiweißmangel in der Bevölkerung zur Folge und machte im Herbst 1914 erste Rationalisierungs- und Preisregulierungsmaßnahmen notwendig. Die Pflanzenerzeugung litt unter dem massiven Entzug an Arbeitskräften, die an die Front kommandiert wurden, und der verminderten Versorgung mit Dünger (sowohl mit betriebseigenem durch die Reduzierung der Viehbestände, als auch mit betriebsfremdem). Überdies zwang der Arbeitskräftemangel zu einer Reduktion der Anbauflächen, was den Nahrungsmittelmangel weiter verschärfte. Mit jedem Tag, den der Krieg länger anhielt, verschlechterte sich die Lage also weiter, bis schließlich im Winter 1916/17 der berüchtigte Steckrübenwinter auf die Bevölkerung zukam. Die Kalorienversorgung jedes Einzelnen war auch mittlerweile von 2300 Kalorien pro Tag (Vorkriegsstand) auf 1000 bis 1200 im Jahr 1916 gesunken.
Was lässt sich über das Ambrossgut im Ersten Weltkrieg sagen? Zunächst wechselte es im Jahr 1914, nach nur fünf Jahren im Besitz von Hermann Gustav Flath, erneut den Besitzer. Für 54.000 Mark erwarb Georg Alfred Hofmann das Gut, das bis zu seinem Tod 1970 bei ihm verblieb.
Bauliche Veränderungen, zumindest genehmigungspflichtige, fanden im Krieg auf dem Ambrossgut keine statt. Der nächste Eintrag in der Bauakte datiert erst von 1920.
Erstaunlicherweise blieb trotz eben geschilderter schwieriger und turbulenter Zeiten in der Landwirtschaft auf dem Ambrossgut scheinbar alles beim Alten, abzulesen etwa an der Zahl der auf dem Hof arbeitenden Menschen. 1910 waren insgesamt 8 Personen (2 weibliche, 6 männliche) registriert, 1916 sogar 9 (3 weibliche, 6 männliche). 1917, im vorletzten Kriegsjahr, hatte das Ambrossgut immer noch 8 Arbeitskräfte (3 weibliche, 5 männliche) aufzuweisen. Offenbar wurde vom Ambrossgut also keine größere Zahl an Männern zum Wehrdienst eingezogen, oder es war ausreichend Ersatz an Arbeitskräften vorhanden, der den Verlust ausgleichen konnte. Bekannt ist lediglich, dass der Gutsbesitzer Georg Alfred Hofmann an der Front gekämpft hat. Sein Name taucht 1934 in einer Liste der bei der Gemeindeverwaltung Schönbrunn gestellten Anträge auf die Verleihung des Ehrenkreuzes auf, das Reichspräsident von Hindenburg am 13. Juli 1934 gestiftet hatte. Hofmann erhielt dabei das Ehrenkreuz für Frontkämpfer.
In der Viehhaltung änderte sich ebenfalls kaum etwas. Gab es 1913 eine Anzahl von 4 bzw. 7 Schweinen, 4 Pferden und 28 Rindern, so finden wir im Jahr 1919 die Zahlen mit 4 Schweinen, 6 Pferden und 26 Rindern nicht oder nur unwesentlich verändert. Interessant sind die 7 Schafe des Ambrossgutes, die nun gehalten wurden, denn, wie oben erwähnt, wurde die Schafhaltung im Ersten Weltkrieg zur Herstellung von Uniformen sehr gefördert, entgegen dem sonstigen Trend seit der Mitte des 19. Jahrhundert, der der deutschen Schafzucht einen Bedeutungsverlust sondergleichen verhieß.
Erstmals liegen im vorletzten Kriegjahr 1917 auch Zahlen zur pflanzlichen Produktion des Ambrossgutes vor. Demnach baute Hofmann an (Größenangaben in Hektar): Winterweizen 2, Sommerweizen 1, Winterroggen 6, Hafer 4,6, Hülsenfrüchte (Gemenge) 0,5, Hülsenfrüchte (für Futter) 1, Mohn 0,1, Kartoffeln 3, Runkelrüben 0,3, Kohlrüben 0,5, Möhren 0,5, Klee 10, Kraut 0,6. Wiesen nahmen 3 Hektar ein. Da keine Vergleichszahlen zur Vorkriegszeit vorliegen, müssen diese Angaben fürs Erste für sich stehen.
Insgesamt lässt sich also feststellen, dass das Ambrossgut den Krieg offenbar sehr gut überstand und kaum Einbußen jeglicher Art zu verkraften hatte.
Im November 1918 ging der Krieg im Chaos der Novemberrevolution zu Ende. Eine Aufhebung der alliierten Seeblockade war jedoch zunächst nicht absehbar. Als diese dann im Juni 1919 endlich fiel, konnte Deutschland aufgrund weitgehend fehlender Devisen und stark in Mitleidenschaft gezogener Getreideexportländer (allen voran Russland) nur wenige Lebensmittelimporte einführen. Negativ wirkte sich weiterhin die fortschreitende (Hyper-)Inflation aus, die das Geld entwertete. Immer mehr Menschen konnten sich nicht in ausreichendem Maße mit Nahrungsmitteln versorgen. So mussten die Rationalisierungsmaßnahmen aus dem Krieg noch bis in den Herbst 1923 fortgesetzt werden, zumal sich die deutsche Landwirtschaft nur langsam von den Rückschlägen im Krieg erholte. 1925 führte die deutsche Regierung in Anknüpfung an die Schutzzollpolitik ab 1879 zur Stützung der heimischen, vor allem aber der ostelbischen Landwirtschaft wieder Schutzzölle für Getreide ein. Diese betrugen anfangs 35 Mark pro Tonne Weizen. 1926 erfolgte eine Erhöhung auf 50 Mark, 1930 auf 95 Mark. Ende des gleichen Jahres setzte die Regierung die Zölle noch weiter nach oben, auf 250 Mark pro Tonne Weizen. Dadurch konnte sich die deutsche Landwirtschaft deutlich erholen, sodass sie 1928 sowohl im Hinblick auf die Pflanzen- als auch auf die Tierproduktion wieder den Vorkriegsstand erreichte. Zudem unterstützte die Reichsregierung die Landwirtschaft durch verschiedene Sofortprogramme finanzieller Art (Förderung für Genossenschaften, Schulen, Versuchswesen, Tierzucht). Sachsen, Bayern und Baden erhielten so z.B. 10 Mill. RM im Rahmen des Programms ,Grenzhilfe’. Doch das Glück währte nicht lange. 1928 brach eine durch weltweite Überproduktion hervorgerufene Agrarkrise aus, die die Preise für landwirtschaftliche Produkte abstürzen ließ. 1929 verschlimmerte sich die Lage durch die Weltwirtschaftskrise. Die Einkommen der Menschen sanken rapide, und mit ihnen die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern. Als Reaktion auf die sinkenden Einnahmen versuchten die Bauern die Produktion zu erhöhen, und erzielten damit, gesamtwirtschaftlich gesehen, genau das Gegenteil dessen, was sie erreichen wollten. Auf den einzelnen Bauer bezogen, konnten die Einnahmeverluste dadurch aber selbstverständlich ausgeglichen werden – begünstigt durch die sinkenden Löhne und die Reduzierung der Arbeitskräftezahl in der Landwirtschaft. Den Menschen auf dem Land ging es, insgesamt gesehen, also besser als den Städtern.
Wie sah in dieser turbulenten Zeit die Situation auf dem Ambrossgut aus?
Im Jahr 1919 waren auf dem Ambrossgut 4 bzw. 6 Schweine, 26 bzw. 29 Rinder, 6 Pferde, 7 Schafe, 3 Ziegen und 22 Stück Federvieh registriert. 1922, im Jahr vor dem Höhepunkt der Hyperinflation, wurden 27 Rinder, 5 Pferde, 1 Ziege und 27 Stück Federvieh gezählt. Die Zahl der Schweine liegt erst wieder aus dem folgenden Jahr, 1923, vor: 11 Stück. 1928, zu Beginn der Agrarkrise, zählte das Ambrossgut 28 Rinder, 5 Pferde, 31 Schweine (!), der mit großem Abstand größte Schweinebestand in Schönbrunn (der in dieser Hinsicht nächstfolgende Hof hatte nur 10 Schweine) sowie 1 Schaf und 20 Stück Federvieh. Ersichtlich sind hier vor allem die wieder abnehmende Bedeutung der Schafhaltung, nachdem die entsprechende Förderung aus dem Ersten Weltkrieg weggefallen war, und der enorm gesteigerte Bestand an Schweinen. 1930 muss in diesem Zusammenhang ein besonders gutes Jahr gewesen sein, denn es wurden 55 Schweine auf dem Ambrossgut gezählt. Im folgenden Jahr waren es dagegen nur noch 11. Man sieht an diesen Zahlen allerdings, dass, beispielsweise saisonbedingt, die Zahlen der gehaltenen Tiere mitunter stark schwanken konnten und sich kein eindeutiger Trend abzeichnen lässt.
1925 gründeten die Schönbrunner Bauern eine Rinderzuchtgenossenschaft, bei der die vorhandenen Zuchtbullen zur Deckung der Kühe allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurden. Hofmann war als größter Rinderbesitzer Schönbrunns zwar Mitglied der Genossenschaft, aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Herdbuchverein der Züchter des Erzgebirgischen Fleckviehes, der also das Herd- bzw. Zuchtbuch führte, aber von einer aktiven Beteiligung befreit. Die Befreiung sprach die Kreisdirektion der Landwirtschaftskammer für das Erzgebirge aus.
Bei der pflanzlichen Produktion kann festgestellt werden, dass das Ambrossgut im Jahr 1920 neben 2 Hektar Kartoffeln auf 0,2 Hektar Flachs anbaute. Dies rührte, wie bei den Schafen, wohl noch von der Förderung im Ersten Weltkrieg her. Flachs, der in seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmendem Maße aus ausländischen, mithin billigeren, Anbaugebieten kam, musste im Krieg blockadebedingt ebenfalls im Deutschen Reich erzeugt werden. Zahlen für den Getreideanbau liegen erst ab 1927 vor. Demnach baute Georg Alfred Hofmann an (Angaben in Hektar): Sommerweizen 0,4, Winterweizen 0,6, Winterroggen 4,5, Sommergerste 0,65, Hafer 4,5, Kartoffeln 3, Kraut 1,35, verschiedene Futterpflanzen 0,4, Mischgras 11,6. 3,79 Hektar wurden als Weide genutzt. An Erträgen erzielte er z.B. bei Sommerweizen durchschnittlich 13 Zentner pro Acker (= 0,553 Hektar), bei Hafer 15, bei Kartoffeln 90 und bei Heu und Grumt (zweites Heu) 36 Zentner pro Acker. Diese Zahlen gehen aus einer Aufstellung über Ernteschäden aufgrund starken Regens von ca. 1926 hervor.
An Arbeitnehmern waren 1929, während der Weltwirtschafts- und Agrarkrise, 4 Personen bei Georg Alfred Hofmann gemeldet. Erkennbar ist hier also ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Ersten Weltkrieg, wenn auch nicht klar ist, ob die Gutsbesitzerfamilie bei den älteren Zahlen mitgerechnet war oder nicht.
An baulichen Veränderungen tat sich auf dem Ambrossgut in dieser Zeit ebenfalls Einiges. 1920 wurde eine ,Flachsbereitungsanlage von Bindegarn für die Getreidemähmaschine’ ca. 50 Meter von Scheune 3 entfernt gebaut. Dies hatte brandschutztechnische Gründe, da in Flachsbearbeitungsanlagen oftmals Feuer ausbrachen und so nicht mehr so leicht auf den gesamten Hof übergreifen konnten. Im Februar 1924 erkundigte sich die Amtshauptmannschaft Marienberg allerdings beim Ambrossgut, ob der Bau denn fertiggestellt sei, da keine entsprechende Anzeige vorlag. Aus Schönbrunn hieß es kurz darauf, dass der Bau ,wohl ausgeführt’ sei, sich aber ,nicht in betriebsfertigem Zustand’ befinde und ,demnächst abgetragen werden’ solle. Diese Mitteilung ist unabhängig vom eigentlichen Betreff aber noch aus einem anderen Grund interessant. Sie erwähnt mit der Getreidemähmaschine erstmals eine auf dem Ambrossgut vorhandene Maschine. Weiterhin wurde 1930 die Genehmigung für den Bau eines Geflügelstalles zwischen Wohnstallhaus und Scheune 1, d.h. in der Nähe von Scheune 2, beantragt. Im April bat Hofmann darum, Änderungen an dem geplanten Bau vornehmen zu dürfen, im Mai folgte schließlich der Rückzug des Baugesuches. Der Geflügelstall blieb zunächst unausgeführt. 1931 wurde dieser allerdings dann doch errichtet, und zwar, wie zuvor geplant, in der Nähe von Scheune 2.

1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Damit brach die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur an, unter die sehr schnell auch die deutsche Landwirtschaft geraten sollte. Doch dazu mehr im nächsten Kapitel.

Marian Bertz












Geschichte des Gutes