1792 - 1870
Das Ambrossgut in den Jahren 1792 bis 1870

Gottlob Friedrich Ambrosius, neben seinem Sohn Carl Ludwig einer der Namenspatrone des Ambrossgutes, war seit dem 14. November 1792 Besitzer eben jenes Gutes in der Kirchstraße 34 in Schönbrunn. Er übernahm das 'Freÿgüthlein zu Schönbrunn', wie es in einem amtlichen Schreiben aus dem Jahr 1812 heißt, von seinem Schwiegervater Johann Gottfried Hofmann 'auf würcklich geleistete Erbhuldigung und Lehnspflicht'. Jahre zuvor hatte dieser es käuflich erworben. Als Freigut genoss das Ambrossgut dabei einen besonderen Status innerhalb der damaligen Landwirtschaft. Es unterlag keinen grundherrlichen oder öffentlichen Diensten oder Abgaben. Freibauern waren also gegenüber von Grundherren abhängigen Bauern privilegiert.
Baugeschichtlich tat sich zu dieser Zeit, 1811/12, Wichtiges auf dem Ambrossgut. Der Gutsbesitzer ließ mit der Drehung des Wohnstallhauses um 90 Grad einen bedeutenden Umbau verrichten. Stand es vorher längs zur Kirchstraße, so nimmt es bis heute eine Position quer zur Straße ein. Zeugnis davon liefert eine entsprechende Gravur oberhalb der Eingangstür.
Die nächste wichtige, vor allem belegbare, Jahreszahl ist 1848. In jenem Jahr ließ Ambrosius an Scheune 1 (gegenüber des Wohnstallhauses) einen bedeutenderen Umbau vornehmen, wovon ebenfalls noch heute eine Gravur über einem der Tore in der linken Gebäudehälfte zeugt. Die anderen Scheunen entstanden während des 19. Jahrhunderts. Mehr dazu im nächsten Kapitel.
Doch zurück zur Landwirtschaft. Wie muss man sich ländliches Wirtschaften in der damaligen Zeit vorstellen?
Nachrichten vom Ambrossgut haben wir aus dieser Zeit bisher leider keine. Daher soll in aller Kürze auf die allgemeine Entwicklung der deutschen Landwirtschaft in diesen Jahren eingegangen werden, der auch das Ambrossgut unterworfen war.
Allgemein standen die Jahrzehnte ab 1750 im Zeichen des Aufbruchs aus der traditionellen, seit Jahrhunderten nahezu identischen, Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft. Hintergrund war die wachsende Bevölkerung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die ernährt werden musste. Dieses Problem ging man auf verschiedene Weise an. Zum einen änderten sich um 1800 nach und nach die Gewohnheiten in der Bodennutzung. Bis dahin hatte die seit etwa 1100 in Europa flächendeckend übliche Dreifelderwirtschaft dominiert. Dabei teilte der Bauer seine landwirtschaftliche Nutzfläche in drei Teile und bestellte einen Teil mit Sommer-, einen zweiten mit Wintergetreide. Der dritte lag brach und diente als Viehweide. Nun setzte sich zunehmend die verbesserte Dreifelderwirtschaft durch. Diese behielt die Einteilung in drei Felder zwar bei, doch das brachliegende Land nutzte man zum Anbau von Klee oder auch Hülsenfrüchten, Rüben, Kartoffeln, Flachs, Hanf, Raps, Waid (zur Gewinnung von Indigo), Krapp (zur Gewinnung von roter Textilfarbe) oder Tabak. Besonders Klee wirkte sich dabei in zweierlei Hinsicht positiv aus. Einerseits sorgte er für eine bessere Versorgung des Viehs mit Futter, als dies zuvor auf den Brachflächen möglich war. Dies erlaubte höhere Viehbestände. Man musste sich vor dem Winter nicht mehr auf die unbedingt zur Weiterzucht benötigten Tiere beschränken, sondern konnte darüber hinaus im Stall größere Viehbestände halten. Infolgedessen stieg der Dunganfall, der wiederum für gesteigerte Erträge auf dem Acker sorgte. Andererseits führte der Klee als Stickstoffsammler zu guten Bodenbedingungen für die Getreidesaat. Im Ergebnis hatte man also auch dadurch höhere Erträge der pflanzlichen Produktion zu verzeichnen. Zum zweiten kamen um die Mitte des 19. Jahrhunderts neue Nutzpflanzen wie etwa Luzerne, Esparsette (sehr nahrhafte Futterpflanze für Pferde), Spergel (ein Futterkraut) und Mais auf, wenn auch diese den Futterroggen als wichtigste Futterpflanze nicht zu verdrängen vermochten. Sie trugen ebenfalls zur besseren Futterversorgung des Viehs, größeren Viehbeständen und folglich höherer Produktion von tierischen Nahrungsmitteln bei.
Die Ackerfläche nahm also durch Nutzung der Brache zu. Es wurden darüber hinaus aber auch neue Flächen für den landwirtschaftlichen Gebrauch erschlossen. Zwischen 1800 und 1850 verdoppelten sich die Ackerflächen Deutschlands so von 13-14 Mill. Hektar auf 25 Mill. Hektar. Davon profitierte vor allem der Kartoffelanbau, der sich nach der großen Hungersnot von 1771/1772 endgültig in Deutschland durchgesetzt hatte. Die Anbauflächen stiegen - bei gleichzeitig wachsenden Hektarerträgen - von 300.000 Hektar auf 1,4 Mill. Hektar im gesamten Reich. Im Erzgebirge war die Kartoffel dabei bereits in den 1750er/1760er Jahren weit verbreitet. Zusammen mit der Erhöhung der Hektarerträge beim Getreideanbau ergab sich eine Verdreifachung der gesamten landwirtschaftlichen Produktion zwischen 1780/1800 und 1870/75. Da sich im selben Zusammenhang die Bevölkerung aber nur verdoppelte, konnten vor allem zwischen 1850 und 1870 wesentliche Verbesserungen in der Nahrungsversorgung der Menschen erzielt werden, die ihren deutlichsten Ausdruck im steigenden Fleischkonsum fanden.
Wie schon erwähnt, vergrößerten sich die Viehbestände nahezu aller erfassten Nutztiere, d.h. Pferde, Rinder, Schweine und Schafe. Bei letzteren war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dagegen ein dramatischer Bedeutungsverlust und Rückgang der Bestände zu verzeichnen, der vornehmlich auf die wachsende Konkurrenz, etwa aus Australien, zurückzuführen ist. Deren niedrigen Preisen war die deutsche Wollproduktion nicht gewachsen.
Um 1800 war der Lebensstandard des größten Teils der deutschen Bevölkerung noch sehr niedrig. Die Agrarpreise waren hoch, die Löhne jedoch ungenügend. Das blieb weitgehend auch während der Napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts so. Die Jahre von 1819 und 1822 brachten allerdings Rekordernten, die zu einem massiven Preisverfall bei den Agrarprodukten führten. Für die Verbraucher war dies zwar erfreulich, viele Bauern dagegen sahen sich einer existenzbedrohenden Situation gegenüber gestellt. Man spricht heute von der Agrardepression der 1820er Jahre. Ab 1825/26 normalisierte sich die Lage aber wieder und in den Jahrzehnten von 1830 bis 1870 erlebte die deutsche Landwirtschaft eine sehr günstige Zeit. Die steigenden Löhne der wachsenden Bevölkerung sorgten für eine zunehmende Nachfrage nach Agrarprodukten. Parallel zu den Löhnen erhöhten sich auch die Preise der Nahrungsmittel. So verzeichneten denn auch die Landwirte wieder mehr Einnahmen. Insgesamt verbesserte sich der Lebensstandard der Bevölkerung durch die höhere landwirtschaftliche Produktion und die gestiegenen Löhne also deutlich.
1870/71 entstand das deutsche Kaiserreich, etliche politische und wirtschaftliche Veränderungen folgten daraus. Deutschlands Landwirtschaft trat in die nächste Phase ihrer Entwicklung, die bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 anhalten sollte. Dieser Zeitabschnitt, mit dem nicht zuletzt aufgrund neuer gesetzlicher Bestimmungen auch die Überlieferung aus dem Ambrossgut einsetzt, soll im Folgenden thematisiert werden.

Marian Bertz









Geschichte des Gutes