1945 - 1970
Das Ambrossgut in der SBZ/DDR

Im Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg, das Deutsche Reich wurde besetzt und in vier Besatzungszonen aufgeteilt. In der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) strebten die neuen Machthaber von Anfang an nach einer Umgestaltung der Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild, der wohl tiefste Einschnitt, den die deutsche Landwirtschaft bis dahin in ihrer Geschichte erlebt hatte. Bereits ab September 1945 erfasste die Bodenreform die fünf neu entstandenen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Güter mit einer Größe von über 100 Hektar, aber auch kleinere Höfe, deren Eigentümer 'Kriegsverbrecher, Kriegsschuldige und Nationalsozialisten oder als solche bezeichnete Personen […] waren', sowie Land in öffentlichem Eigentum wurden enteignet und aufgeteilt. Von den insgesamt 3,2 Mill. Hektar Land, die in die Bodenreform einbezogen waren, wurden 52 Prozent (1,7 Mill. Hektar) für die Schaffung von ca. 200.000 Neubauernhöfen mit einer durchschnittlichen Fläche von 8,5 Hektar, 16 Prozent (0,5 Mill. Hektar) zur Verteilung von durchschnittlich 1,5 Hektar an 335.000 Landarme und 32 Prozent (1 Mill. Hektar) für 550 neue Staatsgüter genutzt. Die vorhandenen Maschinen der Bauern konzentrierte man ab 1949 in sogenannten Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS), später Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS), die dem Regime auch als Druckmittel gegen widerständige und unkooperative Bauern dienten. Sie erhielten schwerer oder seltener Zugang zu den Maschinen. Auf die Produktivität der Bauern wirkte sich die Bodenreform negativ aus. Durch die Zersplitterung der großen Güter, mehr noch aber durch die massenhafte Ansiedlung unerfahrener Neubauern sank die landwirtschaftliche Erzeugung zunächst. Erst einige Jahre später erholte sie sich wieder. Die Umsetzung der Bodenreform und späterer Entwicklungen sollte die im Herbst 1945 gegründete Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), eine der ersten Massenorganisationen im Gebiet der späteren DDR, überwachen und unterstützen; kaum jemand konnte sich den geschilderten Neuerungen entziehen.
1946 entstand in Schönbrunn die örtliche VdgB mit zunächst 24 Mitgliedern. Da es in Schönbrunn keine Grundbesitzer mit über 100 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche gab, nahmen sich die Auswirkungen der Bodenreform im Ort aber sehr bescheiden aus. Lediglich 10,93 Hektar Wald wurden neu verteilt, wovon der Besitzer des Ambrossgutes, Georg Alfred Hofmann, allerdings nichts erhielt; er besaß bereits rund 7 Hektar Waldfläche. Insgesamt gesehen prägte die Bodenreform den ersten Abschnitt des Aufbaus einer sozialistischen Landwirtschaft in der sowjetischen Zone aber bereits maßgeblich.
1952 schritt man zum 'planmäßigen Aufbau des Sozialismus', der bis 1960 anhielt. Konkret bedeutete dies die Zwangskollektivierung, d.h. den Zusammenschluss der Einzelbauern zu Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Oftmals hatten die Behörden dabei mit wenig Begeisterung, wenn nicht sogar erheblichem Widerstand der Betroffenen zu kämpfen. Das Regime in der damals erst seit drei Jahren bestehenden DDR musste einigen propagandistischen Aufwand und behördlichen Zwang betreiben, um die Entwicklung auf den Dörfern in die gewünschte Richtung zu lenken. Zwangsmaßnahmen waren dabei etwa die Erhöhung des Ablieferungssolls, die die Bauern aufgrund der dann für die fehlenden Produkte zu zahlenden überhöhten Preise letztlich in die Verschuldung oder zur Aufgabe des Betriebes treiben sollte, oder die geringere Zuweisung von Dünge- und Futtermitteln, Saatgut, Zugvieh und Geräten, was die Produktionsbasis verschlechterte. Wie bereits oben erwähnt, hatten die betroffenen Bauern auch seltener oder schwieriger Zugriff auf die Maschinen in den MTS. So reduzierte sich die von Privatbauern bewirtschaftete Fläche in der DDR von 93 Prozent (1952) auf 74 Prozent (1953). Bis 1959 war dann allerdings nur noch ein Minus von 74 Prozent auf 52 Prozent zu verzeichnen, denn viele Bauern kehrten dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken und wanderten nach Westdeutschland aus. Bis 1960 sollte aber die Vollsozialisierung, d.h. das vollständige Aufgehen der landwirtschaftlichen Nutzfläche und ihrer Besitzer in LPGen, abgeschlossen sein. So konnten nach erneutem, massivem Druck, dem auch die letzten Einzelbauern nichts mehr entgegenzusetzen hatten, bis zum 14. April 1960 schließlich alle Bezirke der DDR den Abschluss der Kollektivierung vermelden. Bei den LPGen unterschied man drei Typen. Typ I beinhaltete nur eine gemeinschaftliche Bewirtschaftung der Ackerfläche. Typ II bezog die Äcker, das Grünland und die für die Feldwirtschaft benötigten Zugtiere, Maschinen und Geräte ein. Typ III erfasste sämtliche Bestände an Acker- und Grünlandflächen, Maschinen, Geräten und Vieh. Die DDR-Führung zielte auf eine Umwandlung aller LPGen in Typ-III-LPGen und deren ständige Vergrößerung ab. Betrug die durchschnittlich von einer LPG bewirtschaftete Fläche 1960 noch 580 Hektar, so stieg sie bis 1972 auf 890 Hektar an. Gefordert war ferner eine wachsende Spezialisierung der LPGen auf einen bestimmten Produktionszweig wie etwa pflanzliche Produktion oder Schweinemast.
In Schönbrunn entstand am 16. März 1956 mit der 'Neuen Heimat' die erste LPG. Sie schloss sich am 1. Januar 1960 mit der LPG 'Glück auf' Streckewalde zur Typ-III-LPG 'Glück auf' zusammen. Im selben Jahr bildeten die letzten verbliebenen Einzelbauern in Schönbrunn die Typ-I-LPG 'Bergland'. Schönbrunn war damit erstes vollgenossenschaftliches Dorf im Kreis Zschopau. Zwischen 1962 und 1971 traten nach und nach alle Mitglieder der LPG 'Bergland' der LPG 'Glück auf' bei, da sich, wie erwhnt, alle LPGen zu Typ-III-LPGen entwickeln sollten.
Wie alle anderen Wirtschaftszweige war auch die Landwirtschaft Teil der sozialistischen Planwirtschaft, trotz naturgemäß vorhandener schlechter Planbarkeit. Natürliche und klimatische Bedingungen sorgten immer wieder für schwankende Erträge und entsprechend über- oder untererfüllte Pläne. Insgesamt gesehen erhöhten sich die Erträge in der DDR-Landwirtschaft im Laufe der Zeit aber. Ende der 50er Jahre war dank steigender Verwendung von Düngemitteln das Vorkriegsniveau der pflanzlichen Produktion in etwa wieder erreicht. Und auch die Viehhaltung nahm wieder zu. Bei den Rindern war eine Steigerung von 2,763 Mill. Stück (1946) auf 5,827 Mill. (1985), bei Schweinen von 1,967 Mill. Stück (1946) auf 12,946 Mill. (1985) und bei Schafen von 0,748 Mill. Stück (1946) auf 2,587 Mill. (1985) zu verzeichnen. Allein die Pferdebestände sanken von 0,647 Mill. Stück (1946) auf 0,105 Mill., Ausdruck der zunehmenden Mechanisierung der DDR-Landwirtschaft, wie sie auch in Schönbrunn anhand von Listen der LPGen gut nachvollzogen werden kann. Vor allem Mähdrescher und Traktor setzten sich nun flächendeckend durch.
Wie sah die landwirtschaftliche Entwicklung auf dem AmbrossGut bzw. in Schönbrunn aus? Georg Alfred Hofmann wohnte nach dem Krieg und der Entstehung der DDR nur noch auf seinem Hof, arbeitete altersbedingt aber wohl nicht mehr. Er trat der LPG 'Glück auf' daher nie bei, übergab sein Land bis auf einen kleinen Grundstücksstreifen zur Eigenversorgung allerdings der LPG zur Bewirtschaftung. Nichtsdestotrotz nahm er weiterhin Anteil an der Entwicklung der Landwirtschaft in Schönbrunn, wie etwa bei der Erstellung von Viehvermehrungs- oder Wunschanbauplänen.
Für die ersten Jahre der Nachkriegszeit liegen noch Zahlen zu den Viehbeständen und zur Pflanzenproduktion des Ambrossgutes vor. Demnach lebten 1947 dort 23 Rinder, 4 Schweine, 4 Pferde und 1 Ziege, im Jahr 1948 bereits 26 Rinder, 11 Schweine, 2 Ziegen und 53 Stück Federvieh, jedoch nur noch 3 Pferde. 1949 waren es dann 26 Rinder, 13 Schweine und 3 Pferde. Prinzipiell hatte sich trotz einer Absenkung der Bestände zu Kriegsende und in den ersten Monaten und Jahren der Nachkriegszeit also kaum etwas verändert. Lediglich die teils sehr starken Schwankungen bei den Schweinebeständen waren geblieben. 1949 baute das Ambrossgut auch eine sehr breite Mischung von Getreide- und Gemüsesorten an (Angaben in Hektar): Winterroggen 5,84, Sommerroggen 0,81, Winterweizen 0,49, Sommerweizen 0,61, Wintergerste 0,2, Sommergerste 0,51, Hafer 3,84, Spätkartoffeln 3,62, Frühkartoffeln 0,5, Futterrüben 0,5, andere Futterhackfrüchte 0,34, Gemüse 0,15, Flachs/Faserlein 0,37, Gräser 0,21, Kleegras 1,5, Gras zum Abmähen bzw. Abweiden 9,82. Sehr interessant ist auch die erste vollständige Erfassung des Maschinenbestandes auf dem Ambrossgut, die eindrucksvoll die fortschreitende Mechanisierung der Landwirtschat zeigt. Demnach besaß Georg Alfred Hofmann 1 Traktorpflug, 2 Pferdepflüge, 2 eiserne Eggen, 2 Kultivatoren, 1 Getreidesähmaschine, 1 Mähmaschine, 1 Pferdeharke, 1 Garbenbindemaschine, 1 Kartoffelroder, 1 Dreschmaschine mit mechanischem Antrieb, 1 Strohbindemaschine/Pressmaschine, 1 Maschine zur Vorbereitung der Futtermittel sowie 1 Traktor mit 15 PS und 2 Elektromotoren mit je 6,5 PS. Entsprechende Listen der LPG liegen ebenfalls vor, verzeichnen aber wesentlich mehr Maschinen, weswegen sie hier nicht wiedergegeben werden können.
Seit 1945 hatten die Schönbrunner Bauern mit dem Ablieferungssoll zu kämpfen. Abweichungen vom Plan wurden mit oftmals sehr drastischen Formulierungen in den Lokalzeitungen kommentiert und von den lokalen Behörden oder Parteigliederungen geahndet. Regelmäßig wurden auch Einschätzungen zur Entwicklung der LPGen gemacht, so beispielsweise 1962, zwei Jahre nach der Vollsozialisierung. Namentlich wird dort unter anderen die LPG 'Bergland' Schönbrunn genannt, in der sich die genossenschaftliche Arbeit im vorangegangenen Jahr verbessert hatte. Nicht zufrieden waren die Parteifunktionäre mit der Milchleistung Schönbrunns. Sie verordneten dem Ort einen 'Milchaufholeplan'. Die LPGen wurden zur Ausarbeitung von Maßnahmenkatalogen zur Aufholung des Milchrückstandes aufgefordert. Gleichzeitig führte man ein Prämiensystem ein, um mittels materieller Anreize die Milchleistung der einzelnen Betriebe zu erhöhen. Auch in anderen Jahren, bei anderen Produkten oder in anderen LPGen musste auf derartige Anstrengungen zurückgegriffen werden, um den Plan immer erfüllen zu können.
Was produzierte die LPG 'Glück auf' neben der Milch? Auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 351,42 Hektar (1960), von der 216,71 Hektar Ackerland waren, baute die LPG auf 40,7 Hektar Winterroggen (Ertrag: 28 dt/ha), 17,4 Hektar Winterweizen (Ertrag: 25 dt/ha), 0,75 Hektar Sommerweizen (Ertrag: 24 dt/ha), 11,68 Hektar Sommergerste (Ertrag: 25 dt/ha), 31,65 Hektar Hafer (Ertrag: 27 dt/ha), 2 Hektar Winterraps (Ertrag: 18 dt/ha), 34,28 Hektar Kartoffeln (Ertrag: 189 dt/ha), 5,65 Hektar Faserlein, 8,9 Hektar Futterhackfrüchte (Ertrag: 524,9 dt/ha), 42,7 Hektar Klee (Ertrag: 61 dt/ha), 20,8 Hektar Silomais (Ertrag: 350 dt/ha), 0,2 Hektar Grünmais (Ertrag: 250 dt/ha) an. Ihr Viehbestand belief sich auf 20 Pferde, 322 Rinder, 318 Schweine und 1.710 Stück Geflügel. Letzteres legte pro Jahr 117.455 Eier. An Rindfleisch wurde 109,6 kg/ha, an Schweinefleisch 119,2 kg/ha und an Geflügelfleisch 10,3 kg/ha erzeugt.
Im Oktober 1960 hatte die Zeitung 'Das neue Dorf' eine frohe Botschaft für die Schönbrunner zu vermelden: Schönbrunn hatte den Wettbewerb um 'Das schöne sozialistische Dorf' des Kreises Zschopau gewonnen, unter anderem ausgelöst durch die Anstrengungen zur termingerechten Erfüllung des Planes. 'Wer Schönbrunn [vom ersten Platz] verdrängen will', hieß es da, 'muss sich gewaltig anstrengen!'. Vier Jahre vor Georg Alfred Hofmanns Tod, im Jahr 1966, konnte die LPG 'Glück auf' dann ihr zehnjähriges Bestehen feiern. In einer Feierstunde wurde der Anfangsjahre gedacht und die Aufbauarbeit der 'Genossenschaftsbäuerinnen und Genossenschaftsbauern' gelobt, die zu einer 'beständige[n] Aufwärtsentwicklung der LPG 'Glück auf' [und] zur Stärkung und Festigung unserer Republik bei[getragen hatte]', wie die Freie Presse am 16. März 1966 schrieb. Beide Festlichkeiten geben einen kleinen Einblick in die Durchsetzung einer sozialistischen Gesellschaftsform auf dem Land und die Art und Weise, wie diese von der Parteiführung zur Legitimierung ihrer Herrschaft genutzt wurde.
Am 8. Oktober 1970 verstarb Gustav Alfred Hofmann kinderlos im Alter von 88 Jahren, nachdem er erst wenige Monate zuvor vom Ambrossgut von Schönbrunn in ein Altersheim in Ehrenfriedersdorf gezogen war. Deshalb soll an dieser Stelle auch die Betrachtung zur Geschichte des Ambrossgutes enden. Testamentarisch vermachte Hofmann sein Gut der LPG 'Glück auf' Schönbrunn.
Zusammenfassend lässt sich für das Ambrossgut wohl feststellen, dass es die zahlreichen Krisen und schweren Zeiten der vorangegangenen Jahre und Jahrzehnte offenbar weitgehend unbeschadet überstanden hat. Auch wenn es sicher nicht immer einfach für die Gutsbesitzerfamilien Ambrosius und Hofmann war, schlugen sich doch keine Zeichen deutlicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den Akten nieder. Nach Hofmanns Tod gehörte das Ambrossgut bis zur Wende zur LPG 'Glück auf' Schönbrunn. Danach ging es in den Besitz der LPG-Nachfolgeorganisation Bauernland Agraraktiengesellschaft Großolbersdorf über, die es dann im Jahr 2005 dem Förderverein AmbrossGut e.V. zur Nutzung in Erbpacht übertrug.

Marian Bertz













Geschichte des Gutes